Bessere Beteiligung der Mitarbeiter: Kapitalisten am Fließband

Mehr Beschäftigte sollen Anteile an ihren Betrieben erwerben können. Union und SPD legen ihr Konzept vor und hoffen, damit in Zeiten stagnierender Löhne soziale Spannungen zu lindern.

Besser als Mitbesitzer? Arbeit am Fließband bei Opel. Bild: ap

Kapitalisten am Fließband
Mehr Beschäftigte sollen Anteile an ihren Unternehmen erwerben können. Union und SPD legen ihr Konzept vor und hoffen, damit in Zeiten stagnierender Löhne soziale Spannungen zu lindern

Ob beim Düngemittelhersteller Kali & Salz, beim Büroausstatter Wilkhahn oder bei der Solarfirma SMA aus Kassel: Bei all diesen Unternehmen gehören den Beschäftigten Anteile ihres Unternehmens. Diese haben die Mitarbeiter nicht an der Börse gekauft, sondern von ihrer Firma zu günstigen Bedingungen erhalten. So etwas will die große Koalition nun stärker unterstützen - in der Hoffnung, damit die sozialen Spannungen zu mildern.

Zusammen mit CSU-Chef Erwin Huber und dem nordrhein-westfälischen Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) präsentierte Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) am Montag das Konzept "Mehr Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland". Mit bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr will die Bundesregierung künftig die Beteiligung fördern.

Die Koalition wolle "die Arbeitnehmer stärker als bisher am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen beteiligen", sagte Scholz. Den Auftrag dazu hat er von seinem Vorgänger Franz Müntefering übernommen. Der war - durchaus im Konsens mit manchem Unionspolitiker - zu dem Schluss gelangt, dass der normale Arbeitslohn als Bezahlung für Beschäftigte des 21. Jahrhunderts nicht mehr ausreicht. Denn zwischen 2003 und 2007 stiegen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 37,6 Prozent, die Löhne dagegen nur um 4,3 Prozent. Wenn die Mitarbeiter stärker am Kapital der Unternehmen beteiligt sind, so die Hoffnung, lasse sich diese Schere wieder schließen.

Das Konzept der Regierung sieht nun vor, dass der steuer- und sozialabgabenfreie Zuschuss zum Erwerb von Mitarbeiteranteilen von heute 135 Euro auf 360 Euro pro Jahr steigt. Die Summe, die für Aktien, stille Beteiligungen oder andere Anteile am Betrieb genutzt werden kann, muss das Unternehmen seinen Beschäftigten zusätzlich zu ihrem Lohn zahlen. Darauf hatte die SPD gedrungen. Sie will damit verhindern, dass normaler Lohn in Kapitalbeteiligung umgewidmet wird, wodurch die Mitarbeiter unter dem Strich keinen Vorteil hätten.

Auch die direkten staatlichen Zuschüsse sollen steigen. Nach dem Vermögensbildungsgesetz erhielten Mitarbeiter in den westlichen Bundesländern bisher eine staatliche Zulage von maximal 72 Euro pro Jahr, wenn sie 400 Euro in Anteile ihrer Firma steckten. Diese vermögenswirksame Leistung soll auf 80 Euro wachsen. Zudem steigt die Einkommensobergrenze, bis zu der der Zuschuss gewährt wird.

Zudem haben Union und SPD vereinbart, dass Beschäftigte sich mit ihren vermögenswirksamen Leistungen gezielt an Aktienfonds beteiligen können, die wiederum Anteile ihres Unternehmens erwerben. Die SPD wünscht, dass 75 Prozent des Kapitals derartiger Fonds in Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung fließen. Die Fondslösung soll Beschäftigten eine größere Sicherheit bieten: Geht ihr Unternehmen pleite, wäre der Wert ihrer Anteile nicht verloren. Um dies sicherzustellen, hatte SPD-Chef Kurt Beck vor Monaten einen so genannten Deutschland-Fonds vorgeschlagen.

Jochen Hahne, Chef der Büromöbel-Firma Wilkhahn in Bad Münder bei Hannover, hält das Konzept der Koalition für nützlich. "Die Förderung durch den Staat kann für Unternehmen als Anreiz wirken", so Hahne. Auch die Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft, der Verband der Beteiligungsunternehmen, findet die Initiative der Koalition grundsätzlich gut, fordert aber einen deutlich höheren Freibetrag von 1.200 Euro.

Gegenüber anderen wichtigen EU-Ländern hat Deutschland noch einen deutlichen Rückstand bei der Beteiligung von Beschäftigten am Kapital. 9 Prozent der deutschen Unternehmen beteiligen ihre Mitarbeiter am Gewinn, 2 Prozent am Vermögen. In Großbritannien sind es 40 und 23 Prozent, in Frankreich 57 und 7 Prozent. Die hohe Quote dort wird auch deshalb erreicht, weil es für bestimmte Unternehmen eine Verpflichtung gibt. Dem Konzept der Koalition zufolge können sich die Unternehmen freiwillig entscheiden - oder es lassen.

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