"032c", das angeblich beste Magazin der Welt: Erlösung am Zeitungskiosk

Die Zeitschrift für Kunst, Architektur, Stadtforschung und Mode "032c" hat Layouts, die Grafikern in den Augen weh tun. Dennoch, oder deswegen, ist sie preisgekrönt.

Für seine eigenwilligen Layouts erhielt das Magazin das Label "The new ugly". Bild: Sreenshot 032c.com

"Das Magazin bringt Kunst und Architektur, Literatur, Stadtforschung und Mode auf eine Weise zusammen, die einen vergessen lassen kann, wie deprimierend der Besuch am Zeitungskiosk geworden ist", schrieb die New York Times über 032c. Für die International Herald Tribune war die Sache noch klarer: 2007 kürten sie das Magazin aus Berlin - 032c ist übrigens der Name eines Rot-Tons aus der Pantone-Farbskala - zum "Best Magazine of the World". Eine große Auszeichnung für eine Publikation, die Jörg Koch und Sandra von Mayer-Myrtenhain seit sieben Jahren in ihrer Wohnung produzieren. Letztes Jahr wechselten sie den Art Director. Der fabulöse Mike Meiré setzte ein Redesign mit gestretchten Typen und schrillen Farbkontrasten durch, für den sie von Patrick Burgoyne, dem Chefredakteur des britischen Designmagazins Creative Review, das zweifelhafte Label "The new ugly" verpasst bekamen. "Es ist halt ein Riesentabu in der Grafikerszene, wenn man die Fonts stretcht", seufzt Koch. Ihrer Popularität, vor allem im internationalen Ausland, tat das keinen Abbruch: Von den 40.000 halbjährlich produzierten Exemplaren wird nur ungefähr ein Achtel in Deutschland umgesetzt. Der Markt für das Hochglanzmagazin für Mode, Fotografie, Kunst, Design, Musik und Architektur liegt in Japan, in den USA oder in Frankreich.

Dort versteht man die "Think big"-Haltung, die 032c von Beginn an ausstrahlte, vermutlich besser. Man versteht wohl auch besser, was ein Laden soll, der "Museum Store" heißt und keiner ist. Jörg Koch hat seit der Eröffnung der neuen und ersten Dependance des "032c Workshops" vor zwei Monaten schon so einige Interviews hinter sich gebracht, er formuliert geübt: "Die Semantik des Museum Store lassen wir bewusst im Unklaren." Und auch: "Der Museum Store ist eine Weiterentwicklung des Magazins im dreidimensionalen Raum." Also vor allem Anlaufstelle für das Heft und dessen Inhalte. Mit Laufkundschaft rechnen Jörg Koch und Sandra von Mayer-Myrtenhain nicht wirklich. Aber, sagen sie, das sei auch gut so: "Wenn Tom Ford oder Mario Testino in der Stadt sind, dann kommen sie einfach vorbei." Den internationalen Stars, mit denen 032c arbeitet, bietet der Laden einen intimen Rahmen, mitten in der Stadt. Der Designer Konstantin Grcic hat in Zusammenarbeit mit den Heftmachern die Räumlichkeiten im DDR-Plattenbau in der Kleinen Kurstraße eingerichtet. In den 120 Quadratmeter großen Raum ließ er eine Vitrine einbauen, acht Meter lang und ungefähr so hoch wie Koch, der wirklich sehr groß ist.

Natürlich wird im "Museum Store" auch Kunst präsentiert. Und damit Dinge, die man kaufen kann. Allerdings nicht bei der aktuellen Ausstellung: "Ridiculously modest" dockt an die druckfrische 032c-Ausgabe Nr. 15 an, in der es um das Haus der Kunst in München geht und um seinen Direktor Chris Dercon. Der belgische Kurator bespielt den historisch belasteten Monumentalbau seit fünf Jahren mit großem Erfolg; gerade erst wurde er von der Stadt München für weitere fünf Jahre verpflichtet. Dercon, ein Sammler und "riesengroßer Vitrinen-Freak", präsentiert eine grob in drei Teile gegliederte Auswahl von Gegenständen, die ihm am Herzen liegen, in dem Schaukasten: Plakate und Kunstwerke, die aus seiner Privatsammlung "Strong Women Series" oder der "Architecture Series" stammen und Dokumente aus der Geschichte des Hauses. Das Heft featuret dazu Diskussionen um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des renovierungsbedürftigen Museums.

Eine Diskussion, die Dercon selbst angestoßen hat. Gleich in seinem ersten Jahr in München 2003 begann er mit dem "kritischen Rückbau" der ehemaligen "Ehrenhalle", die Hitler als sehr geeignet für seine Propagandareden befand. Unter weißer Farbe kam sogenannter "Blutwurstmarmor" zum Vorschein. Als die hölzernen Zwischenwände eingerissen wurden, wurden die riesigen Ausmaße des Raumes wieder sichtbar. Der Prozess ist noch lange nicht zu Ende: Vor kurzem eröffnete Dercon mit den Stararchitekten Rem Koolhaas/OMA und Herzog de Meuron einen Diskussionsprozess darüber, wie man mit dem problematischen Erbe umgehen solle, könne, wolle: bewahren, also renovieren - oder das Haus dem natürlichen Verfall preisgeben?

Solche Fragen stellen sich nicht nur in München. Der "Museum Store" liegt am südöstlichen Ende des Auswärtigen Amts. Außer dem Plattenbau aus den 1979er-Jahren - einem ehemaligen Gästehaus der SED - gehört dazu auch die von Hans Kollhoff restaurativ umgebaute Nazi-Architektur der Reichsbank, die in DDR-Zeiten als Sitz des Zentralkomitees der SED genutzt wurde, und dazu noch der Neubau von 1999. Ein disparater Gebäudekomplex der Extreme, der relativ versteckt an einem Seitenarm der Spree liegt. Der politische Alltag ist in das Außenministerium schon längst eingezogen. Im Museum Store ist noch alles offen: "Es kommt darauf an" sagt Koch nüchtern, "wie dieser Raum jetzt programmiert wird."

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