Atomlobby erhöht Druck: Koalitionsvertrag in Frage gestellt

Unionspolitiker rufen indirekt zur Kündigung des Koalitionsvertrags auf. Sie fordern, die Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verlängern.

Der Atomkonsens sieht vor, dass im Jahr 2020 das letzte AKW abgeschaltet wird. Bild: ap

BERLIN taz Die Atomkraftfreunde im deutschen Bundestag erhöhen den Druck und rücken vom Koalitionsvertrag ab: Die Abgeordneten der CDU und CSU im deutschen Bundestag fordern die Regierung auf, den "Weg für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland zügig freizumachen". So steht es zumindest in der Vorlage für die Klausurtagung, auf der die Spitzen der Unionsfraktion seit Mittwoch über Energiepolitik reden. Weil der Atomstrom weitestgehend CO2-frei sei, müsse der "Dissens", der "dem Beschluss im Koalitionsvertrag über die Beibehaltung des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie zugrunde liegt", aufgelöst werden, heißt es im dem Papier.

Doch daran ist nicht zu denken. Bundesumweltminister Gabriel (SPD) reagierte, noch bevor die Klausur begann und schimpfte über den "blanken Atomlobbyismus", der in diesem Papier zum Ausdruck käme. Die Unionspolitiker wollten offenkundig ältere Atomkraftwerke ohne Begrenzung weiterlaufen lassen, so Gabriel. In der Tat findet sich in der Vorlage lediglich die Formulierung "2021 und in den Folgejahren", wobei laut Atomkonsens 2020 der letzte Meiler vom Netz gehen soll.

Einig sind sich Gabriel und die Union hingegen in einem anderen Punkt. Ein Unternehmen, das bei der Herstellung von Zement, Aluminium oder anderen energieintensiven Produkten viel Strom verbraucht und damit viel CO2 in die Luft bläst, soll dies auch weiterhin kostenlos tun können.

Der Grund ist die Sorge um eine Abwanderung dieser Industrie aus Europa, sollten die Emissionsrechte ab 2012 tatsächlich wie geplant nach und nach komplett versteigert werden. Schließlich seien zum Beispiel die Minderungspotenziale in der Stahlindustrie, die bis 2012 gut 20 Prozent weniger Energie verbrauchen wird als 1990, bald an einem "technischen Limit angekommen", sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber, der am Mittwoch gemeinsam mit Gabriel eine gemeinsame Erklärung zum Emissionshandel vorstellte. Deshalb sollten Unternehmen, die in Branchen mit einer "hohen Kohlenstoffintensität" und einem starken internationalen Wettbewerb arbeiteten, von der Auktion ausgenommen werden. Welche Kriterien genau dabei gelten sollen, sei noch offen.

Die Unionspolitiker gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie wollen das gesamte Produzierende Gewerbe umsonst mit Emissionszertifikaten ausstatten. Und ein Stromkonzern, der neue Kraftwerke baut, soll damit zunächst kostenlos das Klima anheizen können. Das lehnten Gabriel und Huber unter Hinweis auf die milliardenschweren Mitnahmeeffekte, die den Konzernen durch die Einspeisung der Zertifikate in den Strompreis winken würden, ab. Dies war bereits in der ersten Handelsperiode geschehen.

Beide forderten aber die stärkere Anrechnung von Gutschriften, die Unternehmen in Europa durch Klimaschutzprojekte im Ausland erhalten können. Für maximal die Hälfte der zu erbringenden Minderungsleistungen ab 2013 sollen die Gutschriften aus bestimmten Projekten in Entwicklungsländern und Projekten in Kioto-Staaten außerhalb der EU eingesetzt werden dürfen, forderten Gabriel und Huber. Auch die Union will sich für eine Anrechnung solcher Projekte auch nach 2012 einsetzen.

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