Verschwundene Gefängnisakten: Busemann dreht den Spieß um

Im Fall der verschwundenen Akten des RAF-Terroristen Karl-Heinz Dellwo aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Celle attackiert Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) den Grünen Abgeordneten Helge Limburg.

JVA Celle: Auf Straftäter wird hier aufgepasst, Akten können jedoch schon mal verschwinden. Bild: DPA

Wenn Häftlinge aus Gefängnissen fliehen, ist das peinlich für Wärter und Justizpolitiker. Wie pikant es sein kann, wenn selbst Akten von Häftlingen durch fest verriegelte Knasttüren wandern, erfuhr gestern der Grünen-Landtagsabgeordnete Helge Limburg. "Ist schon eine Frechheit", sagte Limburg, nachdem ihm im Landtag unterstellt worden war, er habe nichts dagegen unternommen, dass aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Celle Gefängnisakten von mindestens zwei Insassen verschwunden sind.

Dabei hatte Justizminister Bernd Busemann (CDU) den Spieß einfach nur umgedreht, aus einer für sein Haus hochnotpeinlichen Angelegenheit eine Attacke auf Limburg formuliert: Vor zwei Wochen hatte der Grünen-Justizpolitiker noch einen "handfesten Skandal" darin gewittert, dass Schriftstücke aus den Celler Hafttagen des RAF-Terroristen Karl-Heinz Dellwo und des Schauspielers Burkhart Driest aus dem Gefängnisarchiv verschwunden waren.

Am Mittwoch sprach Busemann im Landtag in Hannover dann davon, dass auch die Vorgänge nach dem Verschwinden der Schriftstücke möglicherweise "unter strafrechtlichen Aspekten zu beleuchten" seien. "Dritte Personen" hätten deutlich vor dem Anstaltsleiter von abhanden gekommenen Akten erfahren. Busemann: "Wenn Sie, Herr Limburg, dazu beitragen können, würden Sie das Verfahren befördern."

Ende November war öffentlich geworden, dass aus dem Celler Gefängnisarchiv dutzende Seiten aus der Gefängnisakte Dellwos verschwunden sind. Bis heute. Im Gegensatz zu den Haftpapieren des Schauspielers Driest, die mysteriöserweise wieder auftauchten. Sogar die Akten eines Dritten sollen futsch sein - aber das hat sich bislang nicht bewahrheitet.

Im vergangenen September hatte der Gefängnisleiter Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Justizvollzugsanstalt war durchsucht, Häftlinge vernommen worden. Gleichzeitig wurden die Akten der einsitzenden Insassen nach fehlenden Schriftstücken geflöht. Doch es ist weiter unklar, ob die Akten der früher einsitzenden RAF-Häftlinge Knut Folkerts und Sigurd Debus vielleicht auch fehlen.

Normalerweise würden Schriftstücke über Häftlinge bis zu zehn Jahre nach der Entlassung aufbewahrt, sagte Busemann gestern. Im Fall von Driest ist es anders. Er hatte das Celler Gefängnis bereits 1968 verlassen, seine Schriftstücke waren aber wegen eines Forschungsprojekts aufbewahrt worden.

Limburg hatte vom Aktenklau nach eigener Auskunft bereits im August durch den Brief eines Häftlings erfahren. Ein 39-jähriger Insasse hatte sich damals an den justizpolitischen Sprecher der Grünen im Landtag gewandt, um den Missstand anzuzeigen.

Christian V., ein wegen Mord zu lebenslanger Haft Verurteilter, habe Angst gehabt, dass auch seine Akte aus dem nur für Gefängnisbedienstete zugänglichem Archiv geklaut und möglicherweise bekannt werde, sagte Limburg. Ein Briefwechsel folgte. Dabei habe V. sogar angedeutet, dass ein Gefängnis-Angestellter die Akten für 300 bis 400 Euro aus dem Archiv entwendet habe - was Busemann gestern allerdings ausschloss. Sogar der Bild-Zeitung sollen die Akten zur Veröffentlichung angeboten worden sein - die wollte jedoch nicht. Möglicherweise aus Angst vor den juristischen Folgen, deutete Busemann an.

Limburg betonte am Mittwoch, er sei in der Causa Celler RAF-Akten nicht weiter tätig geworden, da der Häftling V. Beweise für den Aktendiebstahl schuldig geblieben sei. In seiner Funktion als Abgeordneter habe er zunächst "Unregelmäßigkeiten" aufdecken wollen. Dann will Limburg die Sache aus den Augen verloren haben. Bis Presseberichte über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft die Beschuldigungen erhärteten.

Von Begünstigung, Anstiftung zu Straftaten oder gar Hehlerei könne sogar die Rede sein, wenn sich herausstellen sollte, dass Limburg von entwendeten Akten wusste, aber dies nicht den Behörden mitgeteilt habe, deutete Busemann an. "Ich bekomme jede Woche bis zu fünf Briefen von Häftlingen", sagt Limburg. Wenn er Beweise gehabt hätte, hätte er den Fall "selbstverständlich öffentlich gemacht oder der Staatsanwaltschaft übergeben".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.