Staaten schützen einheimische Industrien: Macht die Schotten dicht!

Die Nationalstaaten werden ihre Märkte offen halten, hieß es auf dem Weltfinanzgipfel. Nun errichten sie doch Schutzwälle für ihre Industrien.

Auf den Straßen von Sao Paulo: Brasilien hat seine Einfuhrzölle für Autos drastisch erhöht. Bild: dpa

Es dauerte nicht lange, da waren die Versprechen vom Weltfinanzgipfel wieder vergessen. "Wir werden den Prinzipien des freien Handels treu bleiben und gegen Handelsprotektionismus vorgehen," hatten die 20 Premiers und Präsidenten der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im November versprochen. Sie waren auf Betreiben der EU-Ratspräsidentschaft und auf Einladung des US-Präsidenten George W. Bush angereist, um gemeinsam gegen die Weltfinanzkrise zu kämpfen und das internationale Finanzsystem neu zu ordnen.

Doch statt die Türen zu ihren Märkten offen zu halten, wie die gemeinsame Erklärung für die kommenden zwölf Monate ankündigte, beeilen sich just diese Staaten, ihre schwächelnden heimischen Industrien und Branchen zu protegieren. Schotten dicht, lautet die Parole der Stunde - und das, obwohl Experten weltweit warnen, dass Protektionismus die Krise weiter verschärfen könnte.

Gipfelteilnehmer Indien erhöhte nur drei Tage nach dem Treffen zum Schutz seiner Farmer die Zölle auf Sojaöl um 20 Prozent. Indonesien belegte im Bemühen darum, die angeschlagenen heimischen Produzenten zu schützen, im Dezember mindestens 500 Importprodukte mit Einfuhrrestriktionen. Argentinien, Brasilien und Russland erhöhten drastisch die Einfuhrzölle für Automobile sowie Geflügel- und Schweinefleisch. Und Frankreich richtete einen Staatsfonds ein, um Haifische und Heuschrecken davon abhalten zu können, angeschlagene französische Unternehmen aufzukaufen - dabei hatte der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Washington noch gemeinsam mit EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso wortreich betont, dass es ein Fehler sei, wenn die Staaten wegen der Krise kurzfristig zum populären Mittel des Protektionismus griffen.

Am spektakulärsten jedoch agierten die USA den von ihnen stets hochgehaltenen Prinzipien des freien Handels zuwider.

Mit dem Rettungskredit für die Detroiter Autoindustrie in Höhe von 17,4 Milliarden US-Dollar, so die Kritiker, habe die US-Regierung unfair in das Marktgeschehen eingegriffen und dafür gesorgt, dass ausländische Autohersteller einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Gleichzeitig protestierten die USA vor der Welthandelsorganisation WTO gegen die Steuernachlässe Chinas für seine exportierende Industrie.

Obgleich die Maßnahmen der einzelnen Staaten im weltweiten Maßstab gesehen punktuell ansetzen und noch keineswegs den Vorwurf eines breit angelegten Protektionismus rechtfertigen, warnen Wirtschaftsexperten bereits vor den weiteren Schritten. Weiten sich die Schutzmaßnahmen in den kommenden Monaten aus, könnte das die weltweite Finanzkrise weiter anfachen. Der Protektionismus könnte den Welthandel erdrosseln. Paradebeispiel dafür sei in der Weltwirtschaftskrise nach 1929 der Versuch gewesen, nationale Industrien zu schützen, erläutert zum Beispiel Eswar Prasad, Professor für Handelswirtschaft an der Cornell University und Experte an der Washingtoner Brookings Institution. Damals sei der Protektionismus ausgeartet zu wahren Handelskriegen und habe die Wirtschaftskrise verschlimmert, so Prasad. Wenn exportierende Firmen Arbeitsplätze streichen müssen, leiden die Zulieferer, die wiederum ihrerseits entlassen müssen - ein Teufelskreis.

Selbst in der Welthandelsorganisation WTO, klagte deren Generaldirektor Pascal Lamy Mitte Dezember, gebe es nicht ausreichend starken Konsens darüber, dass nun große Anstrengungen unternommen werden müssten, um die stockenden Verhandlungen in der Freihandelsrunde voranzubringen - der sogenannten Doha-Runde.

Vor allem die Doha-Gespräche wollten die 20 Gipfelteilnehmer in Washington jedoch vorantreiben, um dem Welthandel - und damit der Ökonomie - neues Leben einzuhauchen. Lamy regte daraufhin vor kurzem an, den weltweit schleichend sich ausbreitenden Protektionismus mit kritischen Berichten zu dokumentieren - konnte sich damit aber noch nicht durchsetzen.

Wenn am 20. Januar in den USA der neue US-Präsident Barack Obama das Ruder übernimmt, zieht im Weißen Haus ein Politiker ein, der sich schon während des Wahlkampfes kritischer gegenüber dem Freihandel äußerte als seine Vorgänger Bush und Clinton. Während des Wahlkampfes hatte Obama immer wieder betont, er unterstütze "free trade" - allerdings wolle er dafür sorgen, dass dabei höhere Standards für Arbeiter und die Umwelt eingehalten werden müssten. Er kündigte an, das aufgrund solcher Versäumnisse umstrittene Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA überarbeiten zu wollen.

Washingtoner Experten meinen, dass Obamas neuer Handelsbeauftragter Ron Kirk, ehemaliger Bürgermeister von Dallas, zwar ein Befürworter des Freihandels klassischer Art sei; angesichts all der übrigen drängenden Probleme dürften Kirks Themen inklusive Doha jedoch bei Obama nicht sehr hohe Priorität genießen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.