Kommentar EZB-Zinssenkung: Die Krise ist da - nichts geschieht

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins auf 2,0 Prozent gesenkt. Mit dieser Vorsicht erreicht die Bank gar nichts.

Worauf wartet die Europäische Zentralbank noch? Am Donnerstag hat sie wieder einmal eine ihrer vorsichtigen Entscheidungen getroffen und den Leitzins auf nunmehr 2,0 Prozent gesenkt. Das klingt sehr niedrig und ist dennoch weltweites Rekordniveau: Die USA, die Schweiz und Japan sind schon bei faktischen Nullzinsen angelangt, und in Großbritannien liegt der Leitzins auch nur noch bei 1,5 Prozent. Da hätte die Europäische Zentralbank ruhig mutiger sein können.

Mit ihrer Vorsicht erreicht die Bank jedenfalls gar nichts - außer die Spekulationen zu nähren, dass sie demnächst die Zinsen erneut ein bisschen senken dürfte. Längst erwartet der Markt, dass auch die Euro-Zone irgendwann bei Null-Zinsen landet. Warum also nicht gleich?

Offenbar fürchtet die Bank, dass sie jede Handlungsfähigkeit verliert, wenn sie die Zinsen zu stark senkt. Denn bekanntlich können Zinsen nicht unter null fallen. Und so steckt die Zentralbank in einem Dilemma: Reduziert sie die Zinsen ein wenig, bewirkt sie nichts. Wagt sie gleich die Null, ist sie fortan machtlos. Sie könnte dann nur noch, wie es in den USA ja schon geschieht, zu völlig unorthodoxen Methoden greifen - und zum Beispiel den Banken ihre Schrottpapiere abnehmen.

Anders formuliert: Gerade die Vorsicht der Europäischen Zentralbank zeigt, dass die Geldpolitik inzwischen machtlos ist. Nur mit Zinssenkungen allein lässt sich die Wirtschaft nicht mehr stimulieren. Es bleibt allein die Fiskalpolitik, auch "Konjunkturpaket" genannt. Deswegen ist es ja so tragisch, dass die große Koalition nun schon das zweite Konjunkturpaket völlig falsch konzipiert hat. Zwar werden Milliarden ausgegeben, aber eben auch Milliarden verschwendet - zum Beispiel für Steuersenkungen oder Abwrackprämien. Niemand behauptet ernsthaft, dass diese die Wirtschaft nennenswert beleben können.

Derweil verschärft sich die Rezession. Es ist unerfreulich zu wissen, dass der Staat jetzt hilflos ist. Die Zinsen können kaum noch fallen - und die Schulden sind auch schon gemacht. Leider für viel Blödsinn.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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