Kommentar Grünen-Parteitag: Ungedeckter Wechsel

Die gute Nachricht vom Europa-Parteitag der Grünen lautet: Die Partei lebt noch und die Opposition tut ihr gut.

Die gute Nachricht vom Europa-Parteitag der Grünen lautet: Die Partei lebt noch. Oder: wieder. Denn in der rot-grünen Ära schien sie zum Anhängsel von Fraktion und Ministern verkümmert, wie das bei Regierungsparteien oft so ist. Bei den Grünen, die einst mit viel idealistischem Überschwang begannen, wirkte das aber besonders ernüchternd. Die Opposition tut der Partei insofern gut.

Dass Attac-Mitbegründer Sven Giegold und Amnesty-Chefin Barbara Lochbihler die Grünen im Europaparlament vertreten sollen, zeigt, dass die Partei für soziale Bewegungen weiter offen sein will. Dass die Delegierten den höchst eigenwilligen Exbürgerrechtler Werner Schulz wählten, ist ein Zeichen, dass nicht bloß Flügel- und Machtlogik regieren. Unsympathisch ist das nicht.

Auch die politische Inszenierung wirkte geschickt. Man umjubelte Luxemburgs Christdemokraten Jean-Claude Juncker und demonstrierte eine klare Pro-EU-Haltung. Das Bekenntnis zu Europa ist ein kluger Kontrapunkt gegen die diffus EU-feindliche Linkspartei. Zudem passt es in die Landschaft: Ohne Euro hätte die Finanzkrise noch weit verheerendere Wirkungen. Zudem will die Partei mehr Öko und Soziales im Konjunkturprogramm, einen "Green New Deal". Die Grünen treten also, trotz ähnlicher Klientel, nicht auf dem Spielfeld der FDP an, setzen nicht auf Antietatismus mit Ökotouch. So inszenieren sie sich als Partei des aufgeklärten Bürgertums: sozial wach, moralisch empfindsam und pragmatisch geerdet.

Doch die Partei ist bei den Europawahlen zum Erfolg verurteilt: Sie sind ihre einzige Chance, vor der Bundestagswahl zu punkten. Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und im Saarland wird sie keine Rolle spielen. Noch wichtiger ist: Ein "Green New Deal", das klingt zwar wohltönend und verheißungsvoll. Es steht aber in schroffem Gegensatz zu der Verzagtheit, mit der die Parteispitze bislang auf die Krise reagiert hat. Von Künast und Co hörte man nur wenig zum globalen Crash, die Kritik an der großen Koalition wirkte sprunghaft und nörgelig. Der "Green New Deal" ist ein ungedeckter Wechsel. Bislang jedenfalls. STEFAN REINECKE

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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