hartz iv: Gegen Ghettoisierung

Das Sozialgericht verpflichtet die Behörde, für ALG II-EmpfängerInnen Mietkautionen zu übernehmen, wenn sie bei Wohnungsbaugesellschaften einziehen

Die Kaution zahlt künftig das Amt Bild: ZIER

Eine deutliche Niederlage vor Gericht bezogen hat die Sozialbehörde für ihren Umgang mit Hartz IV-EmpfängerInnen: Entgegen der bisherigen Praxis hat das Sozialgericht die öffentliche Hand verpflichtet, auch dann die Mietkaution für ALG II-EmpfängerInnen zu übernehmen, wenn sie bei kommunalen Wohnungsbaugesellschaften einziehen. Zugleich wurden Pläne des Ressorts bekannt, nach denen es - mitten im Sommer - neue Zumutungen bei der so genannten "Heizkostenpauschale" einführen will.

Im konkreten Fall hatte die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) einer allein Erziehenden aus Bremen-Nord zwar den Umzug in eine größere Wohnung genehmigt. Nicht aber die bei Vertragsabschluss fällige Mietkaution von 650 Euro an die Brebau. Eine bislang gültige Verwaltungsanweisung bestimmt nämlich ausdrücklich, dass bei Wohnungsbaugesellschaften generell keine Mietkautionen für ALG II-EmpfängerInnen übernommen werden. Das war jedoch rechtswidrig, so das Sozialgericht Bremen in einem Urteil (Aktenzeichen S 23 AS 779/09 ER): "Diese Regelung steht in deutlichem Widerspruch zur Gesetzlage". Mittlerweile sei eine Aufforderung ergangen, den entsprechenden Passus im Rahmen des Ermessensentscheids "weiter zu fassen", so die Sprecherin des Sozialressorts, Petra Kodré. Künftig soll gelten, dass Mietkautionen auch von Wohnungsbaugesellschaften übernommen werden können - "wenn kein anderer Wohnraum zur Verfügung steht". Ob das der Fall ist, entscheidet im Einzelfall letztlich die Bagis. Die Brebau vermietet rund 7.000 Wohnungen in 18 Stadtteilen und ist damit nach der Gewoba Bremens zweitgrößte Wohnungsbaugesellschaft. Die Gewoba wiederum ist laut des Bremer Erwerbslosenverbandes (BEV) die Einzige ihrer Art in Bremen, die so genannte Mietübernahmebescheinigungen von der Bagis akzeptiert - ohne zusätzlich eine Kaution zu verlangen. Weil aber die Gewoba darauf verzichtete, stand nach Ansicht des Ressorts auch genügend kautionsfreier Wohnraum in Bremen zur Verfügung. Es handele sich hier um eine "Kann-Leistung", sagt Kodré. Die Behörde sei nicht grundsätzlich verpflichtet, die Mietkaution zu übernehmen. Das Sozialgericht Dortmund hatte die Bremer Regelung in der Vergangenheit bereits als "fehlerhaft" gerügt. Sie führe zu einer "unverhältnismäßigen Beschränkung" der Hartz IV-EmpfängerInnen "auf ein zu kleines Wohnungsmarktsegment". Es sei daher deren "Ausgrenzung aus der Gemeinschaft zu befürchten". Also die Bildung von "Hartz IV-Ghettos", wie der BEV es formuliert.

Dem schob das Sozialgericht Bremen jetzt einen Riegel vor: "Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb Mieter bei Wohnungsbaugesellschaften generell keine Mietkautionen erhalten sollten", heißt es in dem Urteil. Im Übrigen sei die Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) "rechtlich nicht befugt", die bundesgesetzlichen Regelungen nach dem Sozialgesetzbuch II "zu beschränken".

Kosten sparen will das Sozialressort offenbar an einer anderen Stelle: den Heizkosten. In einer Tischvorlage für die morgige Senatssitzung heißt es, "aufgrund der aktuellen Preisentwicklung" am Energiemarkt sollten die "derzeit gültigen Richtwerte" wieder gesenkt werden. Diese sehen momentan noch vor, dass Kosten von 1,35 Euro je Quadratmeter in der Regel "angemessen" sind und übernommen werden. Dieser Satz war erst im September vergangenen Jahres von 1,10 Euro erhöht worden. Sollte die Sozialdeputation zustimmen, gilt ab dem 1. Juli wieder der alte Richtwert von 1,10 für "normale" und 1,35 Euro für "erhöhte" Bedarfe. Nach offizieller Sprachregelung werden gar "keine Heizkostenpauschalen" bezahlt - sondern alle "tatsächlichen Aufwendungen" erstattet - aber eben nur "so weit sie angemessen sind".

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