EU-Kommission: Barroso will an der Spitze bleiben

Der Präsident der EU-Kommission fordert auf dem nächsten EU-Gipfel eine Bestätigung seiner Kandidatur. Dagegen regt sich Widerstand - aus rechtlichen Gründen.

Manuel Barroso: Den Sprecherdienst der Kommission hat er in ein Werbebüro für sich selbst umfunktioniert. Bild: dpa

José Manuel Barroso macht Werbung in eigener Sache. Bis zur Europawahl hatte sich der portugiesische Kommissionspräsident keinen Satz zu der Frage entlocken lassen, ob er für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehen würde. Doch seit das Wahlergebnis deutlich gezeigt hat, dass seine konservative Parteienfamilie trotz Wirtschaftskrise im Aufwind ist, gibt es für ihn kein Halten mehr. Gestern forderte er die Staatschefs schriftlich auf, bei ihrem Gipfel Ende der Woche seine Kandidatur zu bestätigen.

Doch Barrosos Rechnung enthält zwei Unbekannte: Die unklare Übergangssituation zwischen Nizza- und Lissabon-Vertrag und die neuen Kräfteverhältnisse im EU-Parlament. Der juristische Dienst des Rates hat in einem Gutachten darauf hingewiesen, dass eine Wahl des Kommissionspräsidenten nach dem Verfahren des Nizza-Vertrags rechtlich angreifbar sein könnte, wenn im Herbst oder zum Jahreswechsel das restliche Kollegium nach den Regeln des Lissabon-Vertrags bestimmt würde.

Mehrere Regierungen wollen den juristischen Rat ignorieren, um ein Vakuum an der Kommissionsspitze zu verhindern. Das Kollegium soll aber erst später bestimmt werden, da sonst mindestens ein Land auf einen Kommissar verzichten müsste. Unter den Bestimmungen des neuen Lissabon-Vertrags kann zumindest bis 2014 jeder Mitgliedsstaat einen Vertreter in die EU-Kommission entsenden.

Sollte der Rat sich schon jetzt auf Barroso festlegen, müsste das neue EU-Parlament in seiner ersten Sitzung Mitte Juli diese Personalie absegnen. Doch die Opposition gegen dieses Hauruck-Verfahren wächst. Die konservative EVP allein hat keine Mehrheit. Eindeutig gegen ihn haben sich Linke und Grüne ausgesprochen. Daniel Cohn-Bendit erklärte gestern, das Parlament sei gut beraten, auf den Lissabon-Vertrag zu warten, der ihm mehr Mitsprache in dem Verfahren einräumen würde. "Im Fußball verschafft man sich in den ersten fünf Minuten Respekt - oder gar nicht!" Es sei unglaublich, dass gerade Barroso, der den Lissabon-Vertrag angeblich für so wichtig halte, nun das Parlament ausbremsen wolle.

Unklar ist, ob die Liberalen sich auf einen Kuhhandel einlassen würden, wenn sie dafür den Posten des Parlamentspräsidenten bekämen. Der bisherige Fraktionschef Graham Watson hat seinen Anspruch auf dieses Amt angemeldet. Doch in der liberalen Fraktion gibt es Widerstand gegen Barroso und viel Sympathie für Belgiens Ex-Premier Guy Verhofstadt, der schon vor fünf Jahren als Kommissionspräsident im Gespräch war. Die Liberale Fraktion könnte an diesem Streit leicht auseinander brechen, bevor die Legislaturperiode richtig angefangen hat.

Ob Manuel Barroso der starke Mann ist, der angesichts einer schweren Wirtschaftskrise, eines im Herbst geplanten zweiten irischen Verfassungsreferendums und einer im Dezember anstehenden hoch umstrittenen Klimakonferenz die Richtung vorgeben kann, bezweifeln in Brüssel viele. In den vergangenen fünf Jahren hat er vor allem an seinem eigenen Image gefeilt. Den Sprecherdienst der Kommission hat er in ein Werbebüro für sich selbst umfunktioniert.

Auch vor Peinlichkeiten schreckt der Politiker dabei nicht zurück: In den täglichen Kurznachrichten der EU-Kommission ließ er am Montag verbreiten, dass ihm 27 junge Europäer aus den Mitgliedsstaaten ein "Manifest" überreicht hätten, in dem die Erfolge seiner Amtszeit aufgezählt und ein zweites Mandat für ihn gefordert wird.

Die Regierungschefs dürften sich davon kaum beeindrucken lassen. Alle fünf Jahre schwanken sie zwischen der Option, sich mit einem schwachen Kommissionspräsidenten mehr politischen Handlungsspielraum zu verschaffen und der Erkenntnis, dass Europa eine starke Figur an der Spitze braucht. Ihre Wahl wird aber schon deshalb auf Barroso fallen, weil es keine mehrheitsfähige Alternative gibt.

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