Änderungen beim Anlegerschutz: Beweislast bleibt beim Kunden

Die Koalition will die Rechte von Privatanlegern stärken: Banken müssen Verkaufsgespräche besser dokumentieren, bei Telefonberatung gilt ein Rücktrittsrecht.

Bis zu 30 Milliarden Euro verlieren Geldanleger in Deutschland jedes Jahr durch falsche Empfehlungen ihrer Finanzberater. Bild: dpa

BERLIN taz265 Tage nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers, die zehntausende Kleinanleger um ihr Vermögen brachte, bewegt sich was beim Anlegerschutz. Am heutigen Freitag wollen Union und SPD ein "Gesetz zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung" beschließen. Der Entwurf stand bis zuletzt auf der Kippe, weil die Bankenlobby sich gegen die neuen Regeln wehrte. Für Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen bedeutet er dagegen "wenigstens ein paar Trippelschritte nach vorn". Auch der grüne Finanzmarktexperte Gerhard Schick sieht weitgehenderen Handlungsbedarf.

20 bis 30 Milliarden Euro verlieren Geldanleger in Deutschland jedes Jahr durch falsche Empfehlungen ihrer Finanzberater. Das zeigt eine Studie im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums von Ende 2008. Wenn die Geschädigten Schadenersatz fordern, müssen sie beweisen, dass sie falsch beraten wurden. Und dafür fehlen ihnen oft die nötigen Unterlagen.

Nach den Plänen der Koalition müssen Bankberater deshalb künftig Verkaufsgespräche mit Privatanlegern protokollieren und ihnen die Aufzeichnungen vor Vertragsabschluss unterschrieben aushändigen. Bei einem etwaigen Prozess können sie dann als Beweismittel dienen.

Die Bankenvertreter ärgerten sich am meisten darüber, dass diese Regelung auch bei Telefonberatungen gilt. Die schriftliche Dokumentation muss dem Kunden zugesandt werden, der ein einwöchiges Rücktrittsrecht hat, wenn er mit dem Protokoll oder dem Geschäft nicht einverstanden ist. Die Banken argumentierten, sie trügen in dieser Woche "das volle Kursänderungsrisiko", während der Kunde "risikofrei spekulieren" dürfe.

Auch die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche wird an die allgemeinen Verjährungsregeln im Bürgerlichen Gesetzbuch angepasst. Sie beträgt nun drei Jahre, nachdem der Kunde von seinem Anspruch erfahren konnte. Bislang war sie kürzer. Damit sollte der Verkauf "innovativer Finanzprodukte" gefördert werden.

"Die Verlängerung der Verjährungsfrist haben wir schon vor zwei Jahren gefordert", sagt der grüne Finanzexperte Gerhard Schick. Er kritisiert jedoch, dass die Dokumentationspflicht für die Banken nichts daran ändert, dass die Beweislast im Streitfall beim Kunden liegt. Während die Bankberater geschult würden, wisse der Anleger oft nicht, was genau in dem Protokoll stehen muss, um eine eventuelle Falschberatung vor Gericht nachweisen zu können. Vor allem aber habe es die Koalition versäumt, neue Regeln für die Beratung aufzustellen: "Die derzeitigen Provisionssysteme für die Verkäufer von Finanzprodukten bieten völlig falsche Anreize", so Schick. Er plädierte dafür, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen, das eine Honorarberatung einführen will.

Union und SPD wollen zugleich mit dem Gesetz einen Antrag einbringen, mit dem sie die Bundesregierung auffordern, den "Ausbau des Finanz-Beratungsangebots der Verbraucherzentralen" zu fördern und die "Debatte über einen Finanz-TÜV aufzugreifen". Zu diesen Forderungen gebe es längst Vorschläge, meint Schick. "Die Bundesregierung hätte genug Zeit gehabt, ein entsprechendes Gesetz zu formulieren."

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