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: Geldmaschinen und Vergewaltiger dürfen nicht sterben: Jilliane Hoffmans „Cupido“-Nachfolger „Morpheus“

Mit dem Ende von „Cupido“ wurde offensichtlich, dass Jilliane Hoffman mit ihrem Serienmörderroman nicht nur inhaltlich Hannibal Lecter im Hinterstübchen sitzen hatte. Die Fortsetzung von „Cupido“ stand da mit auf dem Masterplan, als Cupido alias William Rupert Bantling nicht sterben oder fix seinen Hinrichtungstermin bekommen durfte: Als schizoider Perversling und Vergewaltiger mit Clownsmaske hatte er es zwar geschafft, das Leben der Staatsanwältin C. J. Townsend auf immer zu verändern, nachdem er sie vor langer Zeit brutal vergewaltigt hatte. Nur die elf fürchterlichen Morde an jungen Frauen, die hatte ein anderer begangen, die gingen auf das Konto eines Psychotherapeuten, der schließlich tödlich zur Strecke gebracht wurde. Der Clou an Hoffmans Erstling war, dass sie geschickt und temporeich ihre Erzählstränge verwirbelte: die fortschleichende Erkenntnis, dass ein anderer für die Serienmorde verantwortlich war, und der unbedingte Wille von C. J. Townsend, ihren Peiniger von ehedem trotzdem in die Todeszelle zu bringen, auch mit juristisch unsauberen Mitteln: „Sie hatte schlechte Lügen in glaubhafte Wirklichkeit umgewandelt, um der Gerechtigkeit willen. Geopfert hatte sie dafür ihr Berufsethos.“ Das Motiv der Rache, eine sehr zweifelhafte Haltung zur Todesstrafe und Fragen zu Moral und Ethik, all das war in „Cupido“ tempo- und spannungsreich zusammengeführt und nicht zu Unrecht mit Longsellerehren versehen worden.

„Morpheus“ heißt nun das Sequel, das allein mit dem Titel wieder einmal auf das Waten in den Erfolgsspuren eines Dan Brown spekuliert. Morpheus heißt in Miamis Medien der Mann, der drei Polizisten auf bestialische Weise umgebracht hat, nämlich in dem er ihnen einen tiefen Schnitt in die Luftröhre setzt, an dem sie langsam verblutend zugrunde gehen. Alle Polizisten eint, dass sie seinerzeit zusammen mit Townsend daran beteiligt waren, Cupido hinter Gitter zu bringen, und das unter besagter Mauschelei. Staatsanwältin C. J. Townsend fürchtet erneut um ihr Leben – ihr einstiger Gegenspieler ist wieder erster Verdächtiger und er hat auch die Wiederaufnahme seines Verfahrens beantragt, doch sitzt er eben in einem Hochsicherheitstrakt ein.

So weit, so sinnvoll fortgeführt, so spannend und von Hoffman auf gut hundert Seiten erneut in kurzen Kapiteln und mit zahlreichen diversen perspektivischen Wechseln flott erzählt. Danach aber geht ihr die Luft aus. Plötzlich scheint sie nicht mehr viel mit ihrer Geschichte anzufangen zu wissen. Nur noch mühsam bewegt sich der Fall von der Stelle und lebt vor allem von den Rückgriffen auf die Vergangenheit. Über vierzig, fünfzig Seiten herrscht in der Mitte von „Morpheus“ völliger Stillstand, da verzettelt sich Hoffman in den Streitereien verschiedener Behörden, der Polizei in Miami, dem FBI, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht und so weiter und so uninteressant. Man merkt in diesen Passagen, dass die 38-jährige Hoffman gelernte Staatsanwältin ist: Sie war in Miami, Florida, tätig, etwa auch in den Ermittlungen im Mordfall Gianni Versace, und beriet dort auch Spezialeinheiten in juristischen Belangen. „Morpheus“ aber tut dieses Fachwissen nicht gut, und auf einmal wirkt nicht nur die Liebesgeschichte zwischen C. J. und ihrem Lover, dem Special Agent Dominick Falconetti, enorm hölzern, sondern es wird überhaupt offensichtlich, dass Hoffman nicht gerade gesegnet ist mit sprachlicher Eleganz.

Über all dem vergisst man bald, dass ja noch ein zweiter Finsterling neben Cupido am Werk ist, einer, wie man sich denken kann, aus den Reihen der Polizei. Dem wird das Handwerk gelegt, keine Frage, und am Ende wird auch Cupidos Antrag auf neue Beweisaufnahme stattgegeben: ein Cliffhänger für einen dritten Cupido-Townsend-Showdown, den wirklich kein Mensch mehr braucht. ALEXANDER LEOPOLD

Jilliane Hoffman: „Morpheus“. Übersetzt von Sophie Zeitz. Wunderlich, Reinbek 2005, 400 Seiten, 19,90 Euro