Ahuuu!: Das Comeback des Wolfs

Lange ist der Wolf durchweg als Zähne fletschendes Ungeheuer dargestellt worden - während in hiesigen Wäldern keiner mehr heulte. Jetzt aber sind die Raubtiere zurück - und so populär wie nie zuvor.

Jault wieder im heimischen Wald: Der Wolf war in Norddeutschland ausgerottet. Jetzt siedelt er sich wieder an. Bild: dpa

Canis lupus ist wieder da. Jahrzehntelang mussten die Bewohner Mittel- und Nordeuropas mit schlechten Nachahmungen des Wolfes Vorlieb nehmen, in Märchen und Fabeln etwa. Zumal in seiner Abwesenheit wurde aus dem Tier ein bösartiges Monster, das in Geschichten und Gedichten für alles Negative stand - ja, für das Böse schlechthin.

Vor 200 Jahren etwa wurde der letzte Wolf auf dem heutigen Bundesgebiet geschossen. Und die Gebrüder Grimm sammelten Märchen, um sie in unserer kulturhistorisches Gedächtnis einzuschreiben. Wodurch sie nicht ganz unschuldig daran sind, dass der Wolf zu einem Großmutter fressenden Ungeheuer geworden ist. Obwohl in Nordeuropa lange Zeit ausgerottet, sorgten Adaptionen des Zähne fletschenden und mondsüchtigen Tieres bei Vorlesern und Zuhörern immer wieder für Gänsehaut. Vielleicht ließe sich sagen: Die Angst vor dem Wolf hatte der Angst vor der Angst Platz gemacht.

Doch nun ist der Isegrimm in den deutschen Norden zurückgekehrt. Zaghaft zwar und erstmal nur mit einigen Rudeln, aber dennoch: Immer häufiger bekommen Menschen in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern Wölfe zu sehen. In anderen Bundesländern, Brandenburg etwa, sind die Tiere längst da, haben still gelegte Militärgelände für sich erobert.

Der Wolf darf in Deutschland nicht geschossen werden. Weshalb so mancher Jäger später angibt, das da erlegte Tier mit einem Hund verwechselt zu haben. Dabei sind Wölfe leicht zu erkennen:

Bis zu 140 Zentimeter lang kann der mitteleuropäische Wolf werden - einschließlich Schwanz

Die Schulterhöhe beträgt bis zu 90 Zentimeter

Anders als Hunde sind Wölfe hochbeiniger und haben eine gerade Rückenlinie

Männchen wiegen bis zu 65 Kilo, die kleineren Weibchen nicht mehr als 50 Kilo

Rehe, Wildschweine und Hirsche stellen den größten Teil des wölfischen Speiseplan, Nutztiere finden sich darauf eher selten

Parallel zu dieser Rückkehr des tatsächlichen Wolfes bekommt das Bild des Schreckens Schrammen, das lange Zeit von ihm gezeichnet wurde. Mehr noch: Wölfe sind populär geworden, sie sind geradezu Stil-Ikonen. So jault etwa die halb bekleidete Popsängerin Shakira in ihrem aktuellen Hit "She Wolf" ein sexy angehauchtes "Ahuuu" ins Mikrofon. Und auf der Multiplex-Leinwand heult und beißt der vormalige Che-Guevara-Darsteller Benicio Del Toro - in der Rolle eines "Wolfman" - sich durch das viktorianische England. Noch mehr angeheizt wird der Hype um den Wolf aber wohl von der Jugendbuch-Saga "Twilight", in der eben nicht nur Vampire, sondern auch Werwölfe die Herzen der Leserinnenschaft brechen sollen. Kurzum: der Wolf hat sein einstmals so eindeutig Furcht erregendes Image abgeschüttelt und ist, nun ja, hip.

Ob der Niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) diesen Trend schon vor drei Jahren erkannt hatte, als er eine Wolfspatenschaft einging? Fraglich. Unbestritten ist, dass sich der hierzulande streng geschützte Wolf in Niedersachsen besonders gerne und immer öfter ansiedelt. Einzelne Tiere haben Jäger und Naturschützer insbesondere in der Gegend um Celle, Uelzen und Soltau herum beobachtet.

Groß war noch die Aufregung, als im Frühjahr 2007 ein Wolf in der Lüneburger Heide gesichtet wurde - der erste in Niedersachsen seit 50 Jahren. "Der Wolf ist in Niedersachsen herzlich willkommen", hieß es damals im Umweltministerium. Da der Wolf ein scheues Tier sei, brauche sich auch niemand vor ihm zu fürchten, ließ man wissen.

So wurde aus dem bösen Wolf über Nacht ein Politikum: Um die Tiere zu schützen wurden "Wolfsrichtlinien" geschaffen, "Wolfsmanagementpläne" entworfen. Ob nun in den CDU-geführten Umweltministerien Niedersachsens und Schleswig-Holsteins oder unter Till Backhaus (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern: Der Wolf, so scheint es, ist willkommen.

Backhaus Wolfsmanagementplan ist noch druckfrisch. Er solle "ein möglichst konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Wolf gewährleisten", sagte der Minister soeben erst, am Dienstag in Schwerin. Die Menschen seien es nicht mehr gewohnt, mit dem Wolf und den sich daraus ergebenden Konflikten etwa mit der Landwirtschaft zu leben. Seit 2006 bereits hat es im Nordosten offenbar immer wieder Hinweise auf Wolfsansiedlungen gegeben. Wie viele Tiere es genau seien, könne man allerdings schlecht sagen. "Wir schätzen, dass es vier Wölfe sind", sagt ein Sprecher des Schweriner Umweltministeriums der taz. Die beobachteten Exemplare seien nicht besonders standortfest, fährt er fort: Sie wanderten auch mal nach Niedersachsen oder Polen.

Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern ist die Ansiedlung des Wolfes einiges wert: Zahlen will das Ministerium sogar für Nutztiere, die Canis lupus zum Opfer fallen. Dafür stehen jährlich 200.000 Euro bereit. Zwischen 2007 und 2009 registrierte man im Land elf Fälle, bei denen Wölfe insgesamt 61 Nutztiere töteten und 23 verletzten.

Obwohl Landwirten immer wieder gesagt wird, dass ihre Rinder, Schafe und Pferde vor Wölfen so gut wie sicher seien, scheint da also ein Restrisiko für Wolfsübergriffe zu bestehen. Deshalb fördert der Fonds des Ministeriums auch die Anschaffung von Schutzzäunen und Herdenschutzhunden.

Dass der Wolf als Jäger von kranken und schwachen Tieren indes eine wichtige Rolle im Ökosystem spielt, ist auch an den Vorbereitungen zu dem Schweriner Managementplan ablesbar: Da saßen Vertreter von Naturschutzvereinen mit Schafzüchtern und dem Landesjagverband an einem Tisch. Der erreichte Konsens war, der Bevölkerung und dem Wolf dessen Heimkehr in die mecklenburgischen Wälder zu erleichtern. "Diesen Konsens zu bewahren und weiter zu entwickeln wird die anspruchsvolle Aufgabe für die Zukunft sein - im Interesse des Canis lupus und der Menschen", sagte der Umweltminister bei der Vorstellung des Plans.

Das Märchen vom bösen, Zähne fletschenden Wolf - hier scheint es für die Hauptfigur ein gutes Ende zu haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.