Erste Studie nach Studiengebühren: Gebühren schrecken Studenten nicht

Die erste Studie nach Einführung der Studiengebühren zeigt: Kosten sind für die Mehrheit kein Problem, solvente Eltern zahlen gern. Doch Akademiker-Kinder bleiben weiter unter sich.

Keine Sorge, der Graben trennt bloß Akademikerkinder von Akademikerkindern. Bild: ap

BERLIN taz | Studiengebühren sind für die Mehrheit der Studierenden kein Problem. Sie haben in der Vergangenheit jedenfalls nicht dazu geführt, dass Hörsäle verwaisten oder Studierende in nennenswerter Zahl von Gebührenländern in gebührenfreie Länder geflüchtet sind. Allerdings: Für 59 von 100 Gebührenzahlern überweisen die Eltern Geld an die Hochschule.

Dies zeigt die 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW), das die Studie am Freitagvormittag zusammen mit dem Bundesbildungsminsterium in Berlin vorstellte. Es ist die erste Erhebung, seitdem einige Bundesländer Studiengebühren eingeführt haben und eine Mehrheit der Studierenden in den neuen Bachelor- oder Masterstudiengängen eingeschrieben ist. Das DSW lässt die soziale und wirtschaftliche Lage der Studierenden alle drei Jahre erforschen. Dazu wurden im Sommersemester 2009 über 16.000 Studierende an 210 Hochschulen von Wissenschaftlern vom Hochschulinformationssystem (HIS) befragt. "Studiengebühren sind ein Problem, es kommt darauf an für wen," meint der Präsiden des Deutschen Studentenwerks Rolf Dobischat. Der Sozialerhebung zufolge bringen 30 Prozent der Gebührenzahler das Geld durch Jobben auf, jeder Zehnte nimmt ein Darlehen auf. Studierende aus mittleren und niedrigen Schichten finanzieren sich laut der Studie ihr Studium überdurchschnittlich häufig über einen Kredit oder eigenen Zuverdienst. "Schafft es ein Kind aus einer hochschulfernen, einkommensstarken Familie zur Hochschule, dann steht es schon wieder vor einer neuen Hürde", schlussfolgert Dobischat.

Kinder aus hohen und gehobenen Sozialschichten bilden an den Hochschulen weiterhin die Mehrheit. Allerdings hat sich ihr Anteil um drei Prozentpunkte verringert. Dafür ist der Anteil von Kindern aus niedrigen und mittleren Schichten seit 2006 um drei Prozentpunkte gestiegen. Sie sind jetzt zu 41 Prozent an den Hochschulen vertreten. Das ist das gleiche Niveau wie im Jahr 2000. Danach war ihr Anteil zwei Sozialerhebungen in Folge geschrumpft. Am größten ist ihr Anteil an Fachhochschulen, wo sie zurzeit die Hälfte der Studierendenschaft bilden, ein Prozentpunkt mehr als vor vier Jahren.

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Für Thomas Rachel vom Bundesbildungsministerium ist der leichte Anstieg ein Grund zur Freude: "Die Ergebnisse zeigen, dass junge Menschen aus bildungsfernen Schichten zunehmend den Weg an die Hochschulen wählen." Studiengebühren hätten offenbar keinen spürbaren Einfluss darauf. Rolf Dobischat vom Deutschen Studentenwerk empfindet die soziale Selektivität an den Hochschulen dagegen "erschreckend stabil". "Von sozial offenen Hochschulen sind wir weit entfernt", sagte er.

Teilt man die Studierenden nach dem Bildungshintergrund ihrer Eltern ein, ergibt sich das auch schon früher gebrauchte Bild vom "Bildungstrichter". Von 100 Kindern aus Nichtakademikerfamilien überschreiten nur 24 die Schwelle zur Hochschule - einer mehr als vor drei Jahren. Aus Akademikerfamilien gehen dagegen 71 von 100 Kinder den Weg ihrer Eltern.

Wenn neue Nachfragepotenziale für ein Hochschulstudium erschlossen werden sollen, kann das nur über eine stärkere soziale Öffnung der Hochschulen erfolgen, schlussfolgern die Autoren der Sozialerhebung. Dies sei arbeitsmarktpolitisch wünschenswert. Überraschend für die Wissenschaftler ist, dass der Trend des sich ständig vergrößernden Anteil von Akademikerkindern unter den Studierenden zunächst gestoppt ist. Der Anteil der Akademikerkinder ist im Ergebnis der Bildungsexpansion seit den 1970er-Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2006 gelangten noch 83 Akademikerkinder von 100 und damit 12 mehr als aktuell an die Uni. Am deutlichsten ist der Rückgang bei den Angestellten mit Hochschulabschluss: Er sank von 76 auf 64 Prozent.

Dies korrespondiert mit einem weiteren Abschwung: Erstmals haben Eltern weniger zum Studium ihrer Kinder zugeschossen als in den Vorjahren. "Offenbar sind gerade Eltern aus mittleren Schichten am Rande ihrer finanziellen Möglichkeiten", vermutet Dobischat.

Seit der letzten Sozialerhebung 2007 hat die Bundesregierung das Bafög zweimal erhöht. Nun haben Bafög-Empfänger durchschnittlich 54 Euro monatlich mehr im Portemonnaie. Doch der Anteil der Empfänger ist mit einem Viertel der Studierenden stabil geblieben.

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