Alkohol: Trinken fern der Straße

Im Hamburger Bezirk Mitte wollen SPD und Grüne Trinkräume errichten. Damit sollen trinkende Gruppen von der Straße verschwinden. In Kiel hat sich die Idee bereits bewährt.

Anstoßen im Freien - in Hamburg könnte damit bald Schluss sein. Bild: dpa

Im Kampf gegen öffentliches Trinken könnte Hamburg bald der Stadt Kiel folgen und so genannte Trinkräume einrichten. Im rot-grün regierten Bezirk Mitte haben die Fraktionen von SPD und GAL einen dementsprechenden Antrag eingereicht. Am Donnerstag wird die Bezirksversammlung darüber abstimmen.

Ziel ist es, diejenigen Personen zu vertreiben, die vor Kiosken, S-Bahnhöfen und in Parks "in Gruppen größere Mengen Alkohol konsumieren", heißt es in dem gemeinsamen Antrag. Vor allem in den sozial schwachen Stadtteilen Billstedt und Wilhelmsburg gebe es immer wieder Konflikte. Passanten und Anwohner fühlten sich demnach zunehmend belästigt durch "alkoholisiertes Lärmen und wildes Urinieren" der Angetrunkenen.

Die Fraktionspolitiker schlagen deshalb vor, ein Projekt aus Kiel nun auch in Hamburgs Mitte umzusetzen. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt gibt es bereits seit 2003 einen Trinkraum in der Innenstadt. Finanziert wird die bislang einmalige Einrichtung von der Stadt Kiel und dem Verein Hempels, der die gleichnamige Obdachlosenzeitung verantwortet.

Die Entspannung der Straßenszene ist das Ziel des Projekts, das 2003 von der Stadt Kiel, dem Jobcenter und dem Verein Hempels ins Leben gerufen wurde.

Die Trinkraum-Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 15 Uhr.

Erlaubt sind niedrigprozentige Alkoholika. Schnaps, Drogen und Waffen sind verboten.

Etwa 30 Prozent der Besucher sind zwischen 18 und 30 Jahre alt. Die meisten sind Wohnungslose, Alkoholiker und Drogenkonsumenten.

Durchschnittlich 50 Personen pro Tag besuchen den Trinkraum, an Spitzentagen sind es bis zu 70.

Im Umfeld des Vereins hatte es vor dem Projekt ebenfalls Spannungen mit Besuchern und Anwohnern gegeben. Um die Lage zu entspannen, wurde der Trinkraum eingerichtet. Dort dürfen diejenigen, die bis dahin auf der Straße getrunken haben, mitgebrachten Alkohol konsumieren. Allerdings nur Niedrigprozentiges wie Bier oder Wein - Schnaps und illegale Drogen sind verboten.

Die Zielgruppe des Kieler Vereins waren und sind "problemverursachende Personen, deren bloße Anwesenheit aber auch ihr Verhalten zu Verunsicherungen bei Anwohnern geführt haben", schreibt Hempels-Vorsitzender Jo Tein in seinem Bericht zum Kieler Trinkraum. So beschwerten sich die Nachbarn immer wieder über Pöbeleien, Lärm und öffentliches Urinieren.

Im Vorfeld stellten sich die Hempels-Mitarbeiter die Frage, inwiefern die Zielgruppe überhaupt von ihnen erreicht werden wollte. Dabei kam laut Tein heraus, dass "diejenigen, die sich bei fast jeder Witterung im Freien aufhalten, offensichtlich nicht an einer Lösung ihrer vielschichtigen sozialen, gesundheitlichen und finanziellen Probleme interessiert sind". Vielmehr suchten diese Personen einen Ort, an dem sie mit anderen ihre Zeit verbringen können. "Mit einem solchen Angebot kommen wir an Menschen heran, die von bereits bestehenden sozialen Diensten nicht erreicht werden können", sagt Tein.

Mittlerweile besuchen täglich bis zu 50 Frauen und Männer den Trinkraum in Kiel. Dort können sie von 9 bis 15 Uhr trinken, rauchen und reden. Und wenn sie wollen, auch mit den Sozialarbeitern des Vereins. Die Beschwerden der Anwohner sind seither zurückgegangen. Nun soll sogar ein zweiter Trinkraum in der Stadt entstehen.

Während andere Kommunen mittlerweile sogar Vertreter nach Kiel schicken, um sich von der Maßnahme überzeugen zu lassen, wird es in Hannover wohl vorerst keine Trinkräume geben. "Das ist bei uns kein Thema", sagte Sprecherin Konstanze Kalmus am Dienstag. Die Stadt setze demnach vor allem auf die Alkoholprävention bei Jugendlichen. Außerdem gebe es in Hannover die Arbeitsgruppe "Alkohol auf öffentlichen Plätzen", bei der Sozialarbeiter an "schwierigen Orten" die Trinkenden ansprechen und sie beispielsweise darauf hinweisen, keine Flaschen auf den Boden zu werfen.

"Manchmal reicht es aber auch aus, einen Platz umzugestalten", sagte Kalmus. Zudem habe jeder Bürger das Recht, sich an öffentlichen Plätzen aufzuhalten, heißt es in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Abgeschlossene Räume einzurichten, damit dort anstatt auf der Straße getrunken werde, käme für Hannover deshalb nicht in Frage.

Im Hamburger Bezirk Mitte scheint diesem Vorhaben jedoch nicht mehr viel im Weg zu stehen. "Viele Menschen haben Angst, an Leuten vorbeizugehen, die in Gruppen an der U-Bahn oder auf dem Bürgersteig stehen und den ganzen Tag trinken", sagte Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) bereits vor einem Monat. "Der öffentliche Raum wird den Passanten durch diese Trinker entzogen und das muss man ändern." Schreiber hofft, mithilfe der geplanten Trinkräume "extreme Saufgelage" ganz zu verbieten. So könnte ein neuer Passus im Wegegesetz das öffentliche Trinken in größeren Gruppen untersagen, sagte der Bezirksamtsleiter. In Bremen ist das bereits der Fall.

In ihrem Antrag fordern SPD und GAL den bezirklichen Ordnungsdienst (BOD) sogar auf, den Alkoholisierten "die Nutzung der dann geschaffenen Trinkräume nahezulegen" und gegebenenfalls Platzverweise zu verteilen.

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