Gentrifizierungsprotest gegen Kunst-Biennale: Draußen wartet die Wirklichkeit

Bei der Vernissage der Berlin-Biennale werden die Macherinnen durch Plakate als Gentrifiziererinnen angeprangert. Mit Foto und Handynummer. Ob die Aktion Kunst oder Politik ist, ist noch unklar.

Die Protestplakate am von der Biennale genutzten leeren Kaufhaus am Oranienplatz Bild: taz/ga

Als Denhart von Harling am Donnerstag zum Oranienplatz radelte, erwartete ihn eine Überraschung. Auf den Fenstern des Ausstellungsraums der Berlin-Biennale war seine eigene Handynummer zu lesen, dazu E-Mail-Adresse und Tätigkeit: Sprecher der Berlin-Biennale. Auf großen Plakaten standen auch die Kontaktdaten der Biennale-Leiterinnen, samt Fotos mit der Unterzeile: "Guten Tag, mein Name ist Gabriele Horn/Kathrin Rhomberg. Ich bin Gentrifiziererin!" Kunst trage zur Aufwertung der Kieze und zur Verdrängung Ärmerer bei, stand auf den Plakaten, die zu Aktionen gegen die Biennale aufrufen.

Dass es Ärger geben könnte, damit hatten die Macher des zeitgenössischen Kunstfestivals gerechnet, das dieses Jahr zum ersten Mal nicht in Mitte, sondern in Kreuzberg stattfindet. Thema dieser sechsten Ausgabe ist das Verhältnis von Kunst zur Wirklichkeit - und die besteht im südöstlichen Kreuzberg auch im Kampf linker Politaktivisten gegen die zunehmende Verteuerung des Kiezes. "Wir sind bewusst nach Kreuzberg gegangen, weil dort Protest und Widerborstigkeit eine Rolle spielen", sagt von Harling. Die Plakataktion habe man "eigentlich super" gefunden. Die Plakate blieben hängen - mit unkenntlich gemachten Nummern.

Dass zur Eröffnung der Biennale mehrere Polizeiwannen auf dem Oranienplatz bereitstanden, war aber kein Wunsch der Veranstalter, sondern eine vorbeugende Maßnahme des zuständigen Polizeiabschnitts. "Die Plakate hatten kein gültiges Impressum, nahmen Bezug auf die Gentrifizierungsthematik. Außerdem wurde darauf klar zu Aktionen gegen die Biennale aufgerufen", sagt ein Polizeisprecher.

Am Eröffnungsabend gab es keinerlei Störungen, auch ging bisher keine Nachricht bei den Kunstveranstaltern ein. Ob die Aktion ernst gemeint oder eine subversive Kunstintervention ist, das weiß bislang niemand. Für die Urheberschaft linker Antigentrifizierungskreise sprechen Formulierungen wie "Häuserkampf" und der Hinweis auf brennende Autos.

Kritik am Umzug der Biennale war im Vorfeld auch aus Kunstkreisen laut geworden - etwa vom Basso, einem Kunst-Kollektiv aus der Köpenicker Straße. Mit den Plakaten will man dort aber nicht zu tun haben. "Ich finde die Plakataktion entschieden unterkomplex", sagt Yusuf Etiman vom Basso. Als er 1989 nach Kreuzberg gezogen sei, sei der Bezirk auch nicht das gewesen, was die Leute heute zu verlieren Angst hätten, sagt Etiman. Man müsse die Diskussion differenzierter führen. Außerdem sei auch das Basso eine Gentrifizierungsinstanz. Man sei ja kein stahlverarbeitender Betrieb. "Schließlich sind diese Prozesse von vielen Faktoren abhängig, unter anderem von sich verändernden Identitäten und der Stadtplanung. Man muss hinschauen, wo die Leute selber zur Gentrifizierung beitragen und wo die Politik diese Prozesse lenkt. Die Biennale ist nicht mit dem Ufo aus dem All gelandet."

In Mitte, wo die Biennale ihren Ursprung hat, hat die Kunst zur Aufwertung beigetragen: Als die Kunst-Werke auf der Auguststraße 1992 ihre Ausstellung "37 Räume" eröffnete, erschlossen sie Pionierland. Die heruntergekommene Straße wurde in der Folge schnell zum Kunststandort mit hohen Mieten und Luxussanierungen. Dass am Oranienplatz Ähnliches droht, hält Biennale-Sprecher von Harling für abwegig: "An der Oranienstraße ist dieser Prozess schon Jahre im Gange", sagt er. Die Biennale bleibe nur zwei Monate.

YUSUF ETIMAN, MITGLIED DES

KÜNSTLERKOLLEKTIVS BASSO

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