Boom der Sozialkaufhäuser: Günstig zu haben

In der Krise haben Sozialkaufhäuser Hochkonjunktur. In Hamburg reiht sich eine Neueröffnung an die andere. Ramschläden wollen die Geschäfte jedoch nicht sein.

Jugendliche im Mittelpunkt: Adnan Qureshi lässt sich in der "Bezahlbar" zum Textilkaufmann ausbilden. Bild: Uta Gensichen

Das dritte Sozialkaufhaus innerhalb weniger Wochen ist am Mittwoch in Hamburg eröffnet worden. Doch steht das "Warengut" nicht in einem sozialen Brennpunkt, sondern im hip-bürgerlichen Stadtteil Ottensen. Wohl deshalb erinnert das Interieur eher an eine Lounge anstatt an eine soziale Einrichtung.

"Hier gibt es keinen Ramsch, das soll ein schicker Laden sein", sagte Berkhan Kiloglu vom Hamburger Grone Netzwerk. Der Bildungsträger wollte, dass sich die Kunden wohlfühlen und verlegte deshalb den lichtdurchfluteten Raum mit einem warmen Holzfußboden, hing Designertapeten auf und richtete eine gemütliche Sitzecke ein. Dazwischen liegt in Regalen und auf Tischen die preisgünstige Ware. Vor allem Kleider, Bücher und Möbel wurden gespendet, sagte Kiloglu. Einkaufen dürfen nur Bedürftige wie Rentner, Schüler oder Hartz-IV-Empfänger.

Im wenige Kilometer entfernten Barmbek-Nord brummt das Geschäft mit gespendeten Sachen seit einem Monat. Schon jetzt hat das Geschäft "Bezahlbar" erste Stammkunden. "Mit so viel Zulauf hätten wir nicht gerechnet", sagt Rainer Ahlers. Er leitet das Projekt in dem sozial schwächeren Viertel, das gespendete Textilien, Spielzeug und Haushaltswaren zu besonders niedrigen Preisen anbietet.

Bundesweit sind in den vergangenen fünf Jahren mehr als 350 Sozialkaufhäuser eröffnet worden.

Kirchliche Träger sind am häufigsten die Initiatoren dieser Einrichtungen.

Das Prinzip: Gespendete Sachen werden an Bedürftige günstig weiterverkauft. Das wiederum schafft Stellen für Arbeitslose.

Die Nachfrage ist groß: So stieg die Besucherzahl im Sozialkaufhaus "Fairkauf" in Hannover 2009 um 25 Prozent. Täglich kommen mehr als 400 Kunden.

Auch hier darf nur einkaufen, wer nicht mehr als 800 Euro im Monat verdient. Ist dies der Fall, gibt es von der "Bezahlbar" eine Kundenkarte. Als Sozialkaufhaus soll das Projekt aber nicht verstanden werden. "Der Begriff ist sehr negativ behaftet", sagt Ahlers. Deshalb hat der Träger Jugendbildung Hamburg der "Bezahlbar" den Untertitel Soziales Einkaufs- und Dienstleistungscenter gegeben. Keinen Ramschladen wollte man aufmachen, sondern eine Boutique - nur eben mit sozialen Preisen. Und so kostet ein neues Paar roter Ballerinas gerade mal zehn Euro.

Die "Bezahlbar" soll aber nicht nur Bedürftigen ermöglichen, günstig einzukaufen. Im Mittelpunkt stehen die Jugendlichen hinter dem Verkaufstresen. Ohne sie gäbe es das Projekt überhaupt nicht. Rund 50 Jugendliche werden hier auf das Berufsleben vorbereitet. Viele von ihnen haben keinen Schulabschluss, die Lehre abgebrochen oder ein zu schlechtes Zeugnis, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Bei der Jugendbildung können sie eine überbetriebliche Ausbildung in verschiedenen Berufen machen und lernen außerdem, wie wichtig beispielsweise Pünktlichkeit ist.

Das Projekt ist vorerst auf zwei Jahre begrenzt. Bis dahin muss die "Bezahlbar" zeigen, dass sie sich wirtschaftlich selbst tragen kann. "Aber wenn es weiterhin so gut läuft, sind wir zuversichtlich", sagt Rainer Ahlers.

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