Zensuren für Ärzte im Netz: Bewerte deinen Doktor!

In Hamburg können AOK-Patienten ihre Ärzte im Internet bewerten. Sogar Ärztevertreter haben sich mit der Idee angefreundet - inzwischen dürfen die Ärzte die Bewertungen kommentieren.

"So, mal sehen, wo haben wir denn den Dr. Kruse?": Internetaffine AOK-Versicherte können jetzt den "Arztnavigator" nutzen. Bild: dpa

AOK-Patienten aus Hamburg können seit Ende Mai ihre Ärzte im Internet bewerten. Das Portal Arztnavigator hat die Krankenkasse zusammen mit Verbraucherorganisationen und der Bertelsmann-Stiftung entwickelt. Hamburg gehört mit Berlin und Thüringen zu den drei Pilotregionen, in denen die AOK dieses umstrittene Projekt testet.

Seit die Kasse den Arztnavigator vor einem Jahr ankündigt hatte, gab es immer wieder heftige Kritik von ärztlichen Interessenverbänden. "Den besten Arzt werden Sie in diesem Portal nicht finden", sagte etwa Michael Späth von der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Der Erfolg einer medizinischen Behandlung hänge vor allem von der Interaktion zwischen Arzt und Patient ab. Aber genau das lässt sich nach Ansicht des Ärztefunktionärs "in einem Fragebogen nicht abbilden".

33 Fragen sind es, die Patienten unter www.aok-arztnavi.de beantworten können. Der Patient bleibt dabei anonym. Einen freien Text zu verfassen ist nicht möglich. Dafür werden Antworten zum Ankreuzen vorgegeben. Laut AOK soll damit verhindert werden, dass Patienten auf unhöfliche Weise einzelne Ärzte beleidigen. Gefragt wird unter anderem, wie die Praxisräume gestaltet sind, ob der betreffende Arzt zuhört oder inwieweit die eigene Intimsphäre beachtet wird.

Gesundheitssenator Dietrich Wersich (CDU) begrüßte den Arztnavigator. "Unser Gesundheitssystem wird immer komplexer. Umso mehr brauchen wir den informierten und mündigen Patienten", sagte Wersich. Das Bewertungsportal könnte demnach ein Stück mehr Transparenz im Bereich der niedergelassenen Ärzte schaffen.

Vorerst können nur AOK-Versicherte an der Befragung teilnehmen. Weitere Kassen haben aber bereits Interesse am Navigator gezeigt.

Betrieben wird das Portal von der "Weissen Liste" (www.weisse-liste.de), einem Projekt von Patientenverbänden und der Bertelsmann Stiftung.

Veröffentlicht werden die Antworten erst, wenn eine zweistellige Mindestzahl von Beurteilungen je Arzt zusammenkommt.

Abgefragt werden drei Bereiche: Praxis und Personal, Arztkommunikation und Behandlung.

Pro Arzt kann jeder Patient nur eine Bewertung abgeben; neuere ersetzen ältere.

Doch genau vor dieser Transparenz fürchten sich viele Ärzte-Vertreter. So kritisierte die Bundesärztekammer 2009 anonyme Fragebögen als unseriös. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung warnte sogar davor, ein "populistisches System mit Hitparadencharakter" aufzubauen.

Nachdem die AOK das vergangene Jahr genutzt hat, um das Bewertungsportal mit wissenschaftlicher Hilfe weiterzuentwickeln, verstummen allmählich die Stimmen der Skeptiker. "Verglichen mit anderen, vor allem kommerziellen Portalen kann sich der Arztnavigator sehen lassen", sagte der Vize-Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Walter Plassmann.

Die Kasse habe sich demnach Mühe gegeben, Manipulationen und Denunziationen zu erschweren. Beispielsweise kann ein Arzt die Bewertungsergebnisse kommentieren oder die Ansicht komplett sperren. Plassmann glaubt, dass diese Funktion nicht nur von gekränkten Ärzten genutzt werden könnte. "Viele Ärzte werden einer Bewertung widersprechen, weil sie keine Patienten mehr annehmen können und deswegen an einer positiven Darstellung gar kein Interesse haben", sagt er.

Bis die Ergebnisse des Arztnavigators allerdings veröffentlicht werden, werden noch einige Monate vergehen. Erst im Herbst dieses Jahres ist es möglich, mithilfe der Erfahrungen anderer Patienten den Arzt seiner Wahl zu finden.

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