Wulff als Bundespräsident vereidigt: Der nette Konsenspräsident

Beim Eid verhaspelt, aber "dankbar": Am Freitag wurde Christian Wulff als Bundespräsident vereidigt. In seiner Antrittsrede forderte er Haftung für die Verursacher der Bankenkrise.

Wird er ein Konsenspräsident? Christian Wulff mit seiner Frau Bettina vor dem Schloss Bellevue. Bild: dpa

BERLIN taz | Gerade hat Christian Wulff den Eid auf das Grundgesetz abgelegt. Er hat sich bei der Eidesformel gleich im ersten Satz verhaspelt, kurz schüchtern gelächelt, was gar nicht mal unsympathisch wirkt. Es ist 13.23 Uhr, und Wulff ist für die nächsten fünf Jahre Bundespräsident. Nun dreht er sich um und geht zu dem nur zwei, drei Meter entfernten Rednerpult im Reichstag. Nein, er geht nicht, er schreitet gemessenen Schrittes. Wulff ist mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident seit 1949. Er will ab jetzt präsidial wirken und man sieht an solchen Details, dass diese Rolle noch nicht perfekt sitzt.

Dies sei ein "bewegender Moment", der ihn "mit Stolz und Demut erfüllt", sagt Wulff. Dass er "dankbar" sei, dienen zu dürfen. Wulff spricht auffällig gleichmäßig und fehlerfrei, und das Formelhafte, das wohl seine größte Schwäche als Redner ist, tritt durch diese Intonation deutlich hervor. Dann hebt er kurz die Stimme und dankt der Linksparteikandidatin Luc Jochimsen und seinem Konkurrenten Joachim Gauck für den "fairen Wettstreit", der der Demokratie genutzt habe. "Sie beide haben daran großen Anteil", ruft er. Das klingt schon weniger formelhaft. Es ist eine gut platzierte, geglückte Geste, die zu seinem neuen Amt und dessen überparteilichem Gestus passt. Gauck sitzt vis-à-vis auf der Besuchertribüne und nickt knapp mit dem Kopf, die Linksfraktion applaudiert geradezu überschwänglich.

Wulff redet gut 20 Minuten. Es gibt in dieser Ansprache ein paar salbungsvolle Passagen und Dankesadressen, die in so eine Rede offenbar hineingehören und die bei Wulff besonders uninteressant klingen. Es ist auch keine geschliffene Programmrede, aber sie hat zwei klare Kernthesen. Erstens: Wulff präsentiert sich als Anwalt der sozialen Marktwirtschaft. "Wir wollen keinen Raubtierkapitalismus", ruft er. Als er fordert, dass die Verantwortlichen der Bankenkrise "in Haftung" genommen werden müssen", klatscht man links und rechts im Parlament und auch im Bundesrat, der geschlossen angetreten ist. Im Grunde ist Wulff ein Anhänger des rheinischen Kapitalismus, des alten deutschen korporatistischen Modells. Ausdrücklich lobt er die Rolle der IG Metall bei VW.

Zweite These: Wir brauchen mehr und bessere Integrationschancen für Migranten. "Wann wird es endlich selbstverständlich, dass alle unabhängig von der Herkunft gleiche Bildungschancen haben?", fragt er rhetorisch. Und: "Wann wird es selbstverständlich sein, dass jemand mit den gleichen Noten die gleichen Aussichten bei einer Bewerbung hat, egal ob er Yilmaz heißt oder Krause?" Die monotheistischen Religionen müssten mehr das Verbindende betonen - eine etwas ungelenke Absage an Islamophobie.

Man wird Wulff daran messen, ob er diese beiden Themen - sozialer Ausgleich und Integration - auch wirklich konsequent verfolgt. Das kommunale Wahlrecht für Ausländer hat Wulff immer abgelehnt - früher, als er noch CDU-Politiker war.

Horst Köhler hat sich gern als Antipode des politischen Betriebes inszeniert, Wulff wird ein Konsenspräsident werden. "Die Parteien sind viel besser als ihr Ruf", sagt er. Es ist jetzt auch sein Job, sich einfallen zu lassen, wie sich der Ruf der Parteiendemokratie verbessern lässt.

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