Profifußball: HSV lässt Investoren mitspielen

Der Hamburger SV hat die Transferrechte dreier Spieler an den Unternehmer Klaus-Michael Kühne verkauft, um an frisches Geld für neue Spieler zu kommen. Verliert der Verein damit seine Unabhängigkeit?

Die ersten drei Spieler, deren Transferrechte der HSV zum Teil verkauft hat, sind Paolo Guerrero, Marcell Jansen und Dennis Aogo. Bild: imago

Am morgigen Dienstag um 18.30 Uhr findet im Stadion im Hamburger Volkspark eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Hamburger SV statt. Thema dieser von den Supporters des HSV erzwungenen Veranstaltung ist "Anstoß³", ein für den Club mit der Raute neues Modell zur Finanzierung von Spielertransfers.

"Anstoß³" geht so: Der in der Schweiz ansässige Milliardär Klaus-Michael Kühne gibt dem HSV 15 Millionen Euro für neue Spieler und erhält dafür ein Drittel der Transferrechte von Paolo Guerrero, Dennis Aogo und Marcell Jansen sowie ein Drittel der Transferrechte an den neu verpflichteten Spielern. Die Mehrheit der Transferrechte verbleibt beim HSV, der nach zwei weiteren Sponsoren sucht, deshalb heißt das Projekt "Anstoß³". Kandidaten, bei deren Transferrechten ein zweiter Investor einsteigen könnte, sind Eljero Elia, Jonathan Pitroipa und Tunay Torun.

Der zwölfköpfige Aufsichtsrat nickte das Modell mit drei Gegenstimmen ab, im nun wieder voll besetzten Vorstand, der aus dem Vorsitzenden Bernd Hoffmann, Katja Kraus, Oliver Scheel und Sportdirektor Bastian Reinhardt besteht, gab es eine Gegenstimme.

Nun kommen nach und nach Vertragsdetails heraus, die dem Hamburger Abendblatt zugespielt wurden. Demnach ist der Vertragsabschluss bezüglich der Rechte für Nationalspieler Dennis Aogo auf den 30. Juni und damit so terminiert, dass er noch ins alte Geschäftsjahr fällt. Die 2,5 Millionen Euro helfen, die Bilanz, die eventuell einen Verlust ausgewiesen hätte, zu verschönern. Während die fünf Millionen für Jansen und Guerrero ins neue Geschäftsjahr fallen. Der Unternehmensberater Dr. F. A. Thomas Kupfer, der einige englische und deutsche Clubs berät und als einer der Experten auf diesem Gebiet in Deutschland gilt, hält eine "eventuelle Bilanzkosmetik" für fragwürdig.

Es ist auch herausgekommen, dass sich die 15 Millionen, die Kühne zugesagt hat, reduzieren, wenn es dem HSV nicht gelingt, einen zentralen Mittelfeldspieler internationaler Klasse zu verpflichten. Das widerlegt die Behauptung Hoffmanns, der Investor habe keinen Einfluss auf die Transferpolitik des Vereins.

Kühne hat eine Liste mit elf potenziellen Neuzugängen abgesegnet, mit der Verpflichtung von Arne Friedrich (Hertha BSC) ist er nicht einverstanden gewesen. Ein 31-Jähriger, auch wenn er eine prima Weltmeisterschaft spielt, ist im Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen, die Kühne mit seinem Geld verbindet, uninteressant. Friedrich geht nun zum VfL Wolfsburg und der HSV ist noch immer auf der Suche nach einem Innenverteidiger.

Der HSV kam Kühne auch entgegen, was den Invaliditäts- oder Todesfall eines mit Kühnes Kohle verpflichteten Spielers angeht. Der Verein hat sich verpflichtet, dann so zu handeln, als sei ein Transfererlös von 7,5 Millionen eingetreten. Kühne bekäme demnach 2,5 Millionen Euro.

Der HSV versucht, dieses Risiko durch den Abschluss einer Versicherung für seine Spieler zu minimieren. Die Kosten für die Versicherungen, die der Verein üblicherweise für seine Spieler abschließt, sind aber, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Horst Becker einräumt, "unverschämt hoch". Becker ist trotzdem ein Anhänger des Kühne-Modells.

Die Idee von "Anstoß³" ist im Fußballgeschäft nicht so neu, wie einige in Hamburg behaupten. Deutsche Fußballvereine haben in der Vergangenheit, um flüssig zu bleiben, Transferrechte als Sicherheiten an Banken oder Privatinvestoren abgetreten. Der 1. FC Nürnberg hatte sich mal an den Rand der Insolvenz manövriert, die meisten Spieler gehörten nicht mehr dem Club, sondern Privatleuten.

Kupfer begrüßt, dass sich "vermögende Unternehmer für den HSV engagieren". Er ist der Meinung, "dass ein Verein wie der HSV das Engagement von Privatinvestoren für seine weitere sportliche Stärkung nutzen", aber "vorsichtig handhaben" sollte. Er hält eine Mitsprache von Geldgebern "für angemessen, wenn sie vernünftig ausgestaltet ist".

Seit Jahren zeichnet sich ab, dass der HSV ein "Ausbildungsclub" ist, ein Sprungbrett für Spieler etwa aus den Niederlanden, die von Hamburg aus zu großen Clubs wechseln. Diese Tendenz wird durch "Anstoß³" festgeschrieben. Der Investor hat ein Interesse daran, dass seine Spieler den Verein wieder verlassen, nur dann hat er eine Chance auf Rendite. "Anstoß³" macht sich in der Bilanz gut, ist aber kein Konzept, um Titel zu gewinnen.

Kupfer sieht in dem bis 30. Juni 2015 laufenden Vertrag mit dem Sportvermarkter Sportfive das eigentliche Problem des HSV. Sportfive kassiert ein Fünftel der Einnahmen aus dem VIP-Bereich (Logen, Business-Sitze) und dem Sponsoring (Trikot- und Bandenwerbung, Stadion-Namensrecht usw.) und ist mit immer noch 15 Prozent an den Einnahmen aus der zentralen Vermarktung durch die Uefa bezüglich der Spiele in der Europa League beteiligt. Das summierte sich in den Jahren, in denen der HSV international weit kam, auf zweistellige Millionenbeträge, die bei Investitionen in neue Spieler fehlen.

In einem Interview mit dem Abendblatt sagte Hoffmann, "Anstoß³" sei eine Alternative zur vorzeitigen Verlängerung des Vertrags mit Sportfive. Er habe das Ziel, die Unabhängigkeit des HSV "für die Zukunft zu erhöhen". Statt der Abhängigkeit von Sportfive, die sieben Bundesligisten unter Vertrag haben, droht dem HSV nun die von Privatinvestoren.

Für Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV), ist die Sache unproblematisch, solange Verträge zwischen Spielern und Club beziehungsweise GmbH oder AG abgeschlossen werden, und die Spieler "nicht gegen ihren Willen abgegeben werden können". In dieser Sache ist der VdV von keinem der betroffenen HSV-Spieler angesprochen worden.

Der Deutschen Fußball Liga (DFL), so Pressesprecher Kay-Oliver Langendorff, sei "das Investorenmodell frühzeitig vorgestellt" worden, sie habe es geprüft und festgestellt: "Es ist mit den Statuten des Ligaverbandes vereinbar."

Während die DFL früh informiert war, galt dies weder für die HSV-Mitglieder noch die betroffenen Spieler. Marcell Jansens Berater Gerd vom Bruch hat erklärt, dass er diesen Zustand nach Ende der WM gerne geändert sähe. Kupfer sagt: "Wenn ich heute Spieler wäre, würde ich gerne vorher wissen wollen, wenn es solche Änderungen betreffs meiner Transferrechte geben soll. Ich würde das auch als Berater des Spielers vorher wissen wollen." Womöglich zögert Hoffmann, weil er weiß, wie hoch explosiv "Anstoß³" ist.

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