Gefahr des Argarkolonialismus: Dreiecksgeschäft für Biosprit

Brasilien und die EU wollen in Mosambik Zuckerrohr anbauen – als eine Art Wunderwaffe gegen Armut und Klimawandel. Umweltschützer halten wenig davon.

Ethanolgewinnung in Brasilien: Der Abbau von Zuckerrohr boomt. Bild: dpa

PORTO ALEGRE taz | Regierungen und Konzerne aus Brasilien und der Europäischen Union wittern ein großes Geschäft: Sie wollen in Afrika Zuckerrohr und Ölsaaten anbauen, aus denen sich Agrotreibstoffe wie Ethanol oder Biodiesel gewinnen lassen. Am Rande eines EU-Brasilien-Gipfeltreffens in Brasília entstand am Mittwoch eine trilaterale Erklärung über die "nachhaltige Entwicklung von Bioenergie" in Mosambik.

Demnach soll eine Arbeitsgruppe das Potenzial des südafrikanischen Landes für die Produktion von "Biotreibstoffen und Biostrom" ermitteln und Projekte ausarbeiten, die mit öffentlichen und privaten Investitionen umgesetzt würden – selbstverständlich "nachhaltig". Eine ähnliche Dreieckszusammenarbeit sei auch mit anderen afrikanischen Ländern geplant, hieß es.

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wirbt bereits seit Jahren für Agrosprit als Wunderwaffe gegen Armut und Klimawandel. "Wir werden den Ausstoß von Treibhausgasen verringern sowie das Wachstum in Entwicklungsländern beschleunigen", sagte er nun. Mit der EU wolle Brasilien eine "Allianz gegen die Armut in Afrika und Lateinamerika" schmieden.

Idee: Brasilianische Konzerne produzieren in Mosambik und verkaufen Ethanol von dort in die EU. Denn die ehemalige portugiesische Kolonie muss keine hohen Importzölle für die EU zahlen.

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Gewinner: Neben den Konzernen die EU, die bis 2020 20 Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen will.

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Verlierer: Wegen der radikalen Verdrängungspolitik und der Nahrungsmittelkonkurrenz Kleinbauern und Arme in Mosambik.

Brasilianische Zucker- und Ethanolkonzerne könnten durch die Produktion in Mosambik EU-Importzölle umgehen, die für die frühere portugiesische Kolonie nicht gelten. Nach demselben Muster verschaffen sie sich bereits durch Plantagen in der Karibik und Zentralamerika Zugang zum US-Markt. Die EU hätte weitere Lieferanten für billigen Agrotreibstoff. Schließlich soll laut der aktuellen EU-Richtlinie bis 2020 ein Fünftel der Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden, im Transportbereich ein Zehntel. In Mosambik schließlich entstünden neue Arbeitsplätze, argumentiert die Agrosprit-Lobby.

Die Umweltorganisation Friends of the Earth hält es hingegen für "unmoralisch und pervers", in einem Land mit vielen Hungernden Zuckerrohr und die Ölpflanze Jatropha anzubauen, um damit Agrosprit für europäische Autos zu produzieren. Weil sich solche Plantagen ausweiteten, würden in Mosambik bereits Kleinbauern von ihrem Land verdrängt und die Nahrungsmittelproduktion eingeschränkt, sagte Aktivistin Anabela Lemos. "Anstatt neue Landnahmen im Süden zu befördern, sollte die EU ihre Agrosprit-Politik ausrangieren", so ihr Kollege Adrian Bebb.

In einer Studie (PDF) über den Jatropha-Anbau in Mosambik zeichnet die Organisation nach, wie undemokratisch der Agrosprit-Boom gepusht wird, der für Millionen Kleinbauern eine existenzielle Bedrohung bedeutet. Lula kennt die Einwände: Am Rande des Weltsozialforum 2009 hatten ihn AktivistInnen aus Brasilien, Afrika und Europa ausdrücklich auf die Gefahren eines brasilianischen Argarkolonialismus hingewiesen.

Schließlich ist die Lage auch in Brasilien, wo sich niemand vorstellen kann, dass einmal zu wenig Lebensmittel produziert werden könnten, alles andere als idyllisch. Der Ethanolriese Cosan, von dem sich EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy eine Anlage vorführen ließ, landete im Januar wegen Sklavenarbeit auf einer schwarzen Liste des Arbeitsministeriums. Dann hob ein eilfertiger Richter die Maßnahme wieder auf. Durch die Ausweitung des Zuckerrohranbaus werden nach wie vor Kleinbauern und Indigene von ihrem Land verdrängt, während sich Sojaplantagen und Viehherden immer weiter auf den Amazonas-Regenwald zubewegen. Und von der Biodieselproduktion profitieren nicht wie angekündigt Familienbetriebe, sondern vor allem große Sojakonzerne.

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