Roman "Schaumschwestern": Wünsche älterer Männer

In den "Schaumschwestern" von Thor Kunkel muss ein Geheimagent in ferner Zukunft eine Sexpuppenfirma ausspionieren. Der Roman ist komprimiert und zurückhaltend.

Junge Gespielinnen in ferner Zukunft: Sexpuppen in "Schaumschwestern". Bild: screenshot youtube.com / promovideo

Die Krankheit namens Mensch ist verschwunden." Diese Fiktion rahmt die eigentliche Erzählung von Thor Kunkels Roman "Schaumschwester". Im Jahr 3011 ist die Menschheit auf wenige Reste reduziert worden, und Grund dafür sind nicht etwa Naturkatastrophen oder eine Superbombe. Kunkel konstruiert den Exodus aus zwei aktuellen Entwicklungen: der Verbindung von Sexualität und Technologie und der Steigerung des gesellschaftlichen Altersdurchschnitts.

Die Erfindung der titelgebenden Schaumschwestern erfüllt den Wunsch älterer Männer nach jungen Sexualpartnerinnen. Das Aufkommen der Schaumschwester und ihre Beliebtheit wird nicht von allen Erdbewohnern begrüßt, sodass der Geheimagent Kolther einen gefährlichen Auftrag bekommt: Er soll die Sexpuppenfirma ausspionieren und stoppen.

Jener Kolther ist ein Geheimagent, wie er im Comic steht. Zur durch den Roman geisternden Textzeile "Go up, go down/then call it progress/for happiness is a warm puppet" untersucht er mit seiner Kollegin Lora den Fall. Er nimmt seine Rolle als Spielball der verschiedensten Seiten mit dem Zynismus, der nur Agenten zusteht: "Das Leben als Phänomen ist ohnehin weit überschätzt."

Kunkel gelingt in "Schaumschwester" eine ausgewogene Kombination: Gerne comichaft trashig, aber nie übertrieben pornografisch - obwohl das Sujet immer wieder zur ausschweifenden Beschreibung der Körper reizen würde. Nur manche philosophische Einstreuung ist etwas fehl am Platz und will nicht so recht zum Cocktail aus Houellebecqscher Weltuntergangslust und E.T.A.-Hoffmannschen Pygmalionfantasien passen.

Wo Kunkel in seinem bekanntesten Werk, dem Nazi-Porno-Machwerk "Endstufe" (2004), zu laut, zu viel und ziellos war, präsentiert sich "Schaumstufe" komprimiert und zurückhaltend. Da finden schöne Sätze ihren Platz wie etwa dieser Satz, der das im ganzen Roman drohende Unglück vorwegnimmt: "Die Ablösung des Menschen durch die Maschinen vollzog sich im Stillen, im Halbdunkel, fast zärtlich."

Thor Kunkel: "Schaumschwester". Matthes & Seitz, Berlin 2010, 228 Seiten,

14,80 Euro

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