Kontrolle: Kein Ort für Jugendliche

Die Teenager am Bahnhof Norderstedt-Mitte sind vielen Passanten ein Dorn im Auge. Eine private Security-Firma soll jetzt Abhilfe schaffen - das stößt auf Kritik.

Am Norderstedter Bahnhof sind herumsitzende Jugendliche nicht gern gesehen. Bild: Ulrike Schmidt

Am Bahnhof Norderstedt-Mitte, auf einer kargen Rasenfläche hinter dem Busbahnhof, sitzen ein paar Jugendliche in der Nähe eines beschmierten gläsernen Häuschens. Mit ihren Flaschen und dem mitgebrachten Essen könnte man sie für Picknicker halten. Gut gelaunt sitzen sie da und reißen Witze.

Für manche Norderstedter sind diese Jugendlichen offenbar ein Problem. Es gebe Passanten, die einen Bogen um sie machten, erzählen die Jugendlichen. Man werfe ihnen böse Blicke zu und bedenke sie mit Sprüchen wie "Habt ihr kein Zuhause?" oder "Lungert woanders herum!"

Anwohner und Passanten haben sich bei der Stadt Norderstedt und der Polizei beklagt: sie fühlten sich bedroht, hätten Angst. Der Kriminalpräventive Rat der Stadt unter Vorsitz von Oberbürgermeister Hans Joachim Grote (CDU) beschäftigte sich mit dem Fall -und beauftragte die Verkehrsgesellschaft Norderstedt, eine private Sicherheitsfirma zu engagieren. Seitdem patrouillieren zwei Sicherheitsmänner der Pütz Security AG auf dem Gelände der Verkehrsgesellschaft Norderstedt -mit Hund.

Die Sicherheitsleute sollen ein Ansprechpartner für die Bürger sein -und das Hausrecht der Verkehrsgesellschaft vertreten, was bedeutet, dass sie im Zweifelsfall auch Platzverweise erteilen. Es gebe am Bahnhof Mitte "keine anzeigentechnisch objektive Bedrohungslage, die den Einsatz der Sicherheitskräfte begründen würde", sagt Thomas Bosse, der Erste Stadtrat. Aber das Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung müsse ernst genommen werden - "selbst wenn es eher irreal ist".

Der Einsatz der Sicherheitskräfte ist derzeit noch in der Testphase. Bis Ende Oktober soll sich gezeigt haben, ob die tägliche Streife ein Erfolg ist. "Wir haben bisher nur positive Rückmeldungen seitens der Bevölkerung bekommen", sagt Michel Kachar, Einsatzleiter der Pütz AG. Einige Anwohner wollten sogar eine Unterschriftenaktion starten, damit der Einsatz fortgesetzt wird.

Kritik kommt von SPD, der Linken und der GAL in Norderstedt, die zusammen im Stadtrat über eine Ein-Stimmen-Mehrheit verfügen. Sie seien zu keiner Zeit an der Entscheidung beteiligt worden, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung der drei Fraktionsvorsitzenden. Für die Kontrolle des Bahnhofsumfeldes solle wieder allein die Norderstedter Polizei zuständig sein.

Durch den Einsatz der Sicherheitskräfte sollten die Probleme "der chronisch unterbesetzten Norderstedter Polizei" kaschiert werden, sagt Katrin Fedrowitz von der SPD. Miro Berbig von den Linken fügt hinzu, dass die Anwesenheit eines privaten Sicherheitsdienstes auf öffentlichen Plätzen keine rechtliche Grundlage habe. Streifengänge seien laut Gesetz "hoheitliches Handeln" und alleinige Aufgabe der Polizei.

Die Sicherheitsmänner mischten sich keinesfalls in die Hoheitsaufgaben der Polizei ein, entgegnet Stadtrat Bosse. Das Hausrecht hätten sie nur auf dem Gelände der Verkehrsgesellschaft Norderstedt, darum herum nähmen sie lediglich das "Jedermanns-Recht" wahr - sie dürfen Menschen, die Straftaten begehen, bis zum Eintreffen der Polizei festhalten, mehr nicht.

Gerade weil die "konkrete Bedrohungslage" nicht ausreiche, könne die Norderstedter Polizei nicht im gleichen Umfang vor Ort sein wie eine private Sicherheitsfirma, sagt Bosse. Die zwei Einsatzkräfte kosteten in der dreimonatigen Testphase nicht mehr als 6.200 Euro. "Dies ist ein bescheidener Beitrag für die Sicherheit."

Mittlerweile ist der Fall weit über die Grenzen von Norderstedt hinaus bekannt geworden. Thomas Brunst, ehemaliges Bundesvorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen aus Nordhessen, äußert Bedenken, weil die beiden Sicherheitsmänner nicht unter ständiger Kontrolle stünden: "Sie müssen sich in den drei Monaten verdient machen, schließlich wollen sie den Auftrag behalten." Da sei es nicht unwahrscheinlich, dass sie mehr machten als nötig.

Alim, 15, und Mohammed, 14, treffen sich mit ihren Freunden fast täglich am Bahnhof. "Eigentlich finde ich es gut, dass es Menschen gibt, die hier nach dem Rechten sehen", sagt Mohammed. Schließlich gebe es um den Bahnhof herum mehrere Jugendgruppen, die auch mal aneinander geraten würden. Mohammed fühlt sich nicht sicher, einmal wurde er mit einem Messer angegriffen und trug eine zirka 30 Zentimeter lange Narbe am Unterarm davon. "Hätte nicht einer der Betrunkenen die Polizei gerufen, wäre ich vielleicht verblutet", sagt Mohammed.

Allerdings glauben die Jugendlichen am Bahnhof nicht, dass die Sicherheitskräfte ihnen helfen würden. "Die schicken uns bloß weg und zwingen uns, unsere Getränke wegzuschütten, selbst wenn es nur Fanta ist", sagt Mohammed. Er und Alim wollen sich weiter am Bahnhof treffen dürfen, eine Alternative gebe es in Norderstedt sowieso keine: "In die Jugendzentren, die es hier gibt, gehen doch nur die Kleinen", sagt Alim.

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