Neues Gutachten zur Migration: Ausländer rein!

Deutschland braucht mehr Zuwanderung, heißt es in einem neuen Gutachten zur Migration. Viele Deutsche akzeptieren diesen Zuzug - von Fachkräften.

Längst angekommen und integriert. Bild: dpa

BERLIN taz | Deutschlands Attraktivität bei Einwanderern schwindet. So liest sich die Einschätzung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration zur Lage der Bundesrepublik. Seinen Status als Einwanderungsland habe Deutschland längst verloren.

"Es ist heute ein demografisch alterndes Migrationsland […] mit tendenziell negativer Wanderungsbilanz", heißt es in dem Gutachten, das am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Klaus Bade, der Vorsitzende des Stiftungsrates, forderte: "Deutschland muss sich migrationspolitisch runderneuern."

Die neun Wissenschaftler im Stiftungsrat, hinter dem etwa die Bertelsmann Stiftung steht, haben in ihrem zweiten Jahresgutachten Zu- und Abwanderung analysiert sowie rund 2.450 Menschen mit und ohne Migrationshintergrund befragt. Die Experten sehen erste Fortschritte im Bemühen, ausländische Spitzenfachkräfte anzulocken. So reisten 2009 rund 16.000 Fachkräfte ein, die zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis bekamen.

Dies reiche jedoch nicht aus, um die Lücke zu schließen, die jene hinterlassen, die auswanderten. Im Saldo verlor Deutschland von 1994 bia 2009 eine halbe Million Menschen ans Ausland, viele von ihnen gut ausgebildet. In einem umlagebasierten Wohlfahrtsstaat seien tendenziell negative Wanderungssalden ein gravierendes Zukunftsproblem, schreiben die Wissenschaftler.

Noch sei Zeit, zu handeln, sagte Stiftungsratsvorsitzender Klaus Bade. So schlägt der Rat ein Dreisäulenmodell vor, um gezielt Hochqualifizierte ins Land zu holen. Bade empfiehlt, das Jahreseinkommen, das man vorweisen muss, um sich hier niederzulassen, auf 40.000 Euro brutto zu senken und ein Punktesystem einzuführen, das potenzielle Einwanderer einstuft.

Ausländische Studierende

Die Bundesbeauftragte für Migration, Maria Böhmer (CDU), unterstützt den Vorschlag: "Der eingeschlagene Weg einer gesteuerten Zuwanderung muss ausgebaut werden", sagte die Staatsministerin. Als Kriterien nannte sie Sprachkenntnisse und schulische und berufliche Qualifikationen. Ihre Partei lehnt genau wie die CSU jedoch ein solches Punktesystem noch ab.

"Die Blockadehaltung von Teilen der Politik schadet Deutschland und stößt zunehmend auf Unverständnis bei den Menschen und in der Wirtschaft", rügte der integrationspolitische Sprecher der FDP, Serkan Tören. Dem Gutachten nach teilt eine deutliche Mehrheit der Befragten diese pragmatische Sicht und wünscht sich eine stärker Zuwanderung von Hochqualifizierten.

Im Fokus des Werbens um Fachkräfte sieht der Sachverständigenrat aber eine Gruppe, die bereits im Lande ist: ausländische Studierende. Jahr für Jahr zieht es mehr Menschen aus dem Ausland zum Studium nach Deutschland, allein im Wintersemester 2009/2010 waren 180.000 Studierende mit ausländischem Pass an hiesigen Hochschulen eingeschrieben. Diese verfügen nach Ansicht der Gutachter über alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration.

Nach Schätzungen der OECD schafft es jedoch nur jeder Fünfte, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen. Administrative Barrieren erschweren die Jobsuche. So müssen Absolventen innerhalb eines Jahres einen Job gefunden haben, der ihrer Qualifikation angemessen ist. Nach Auskunft des von Annette Schavan (CDU) geführten Bildungsministeriums soll diese Hürde gesenkt werden, damit es für Absolventen, um bleiben zu dürfen, genügt, auch einen anderen Job anzunehmen. Eine Einigung in der Koalition stehe aber noch aus.

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