Die frohe Botschaft vom Atomausstieg: Keine Angst vor Putin

Der deutsche Atomausstieg wird den Weltenergiemarkt nicht belasten, so die internationale Energieagentur. Erdgasproduzenten können sich sogar über steigende Nachfrage freuen.

Oho! Die Ostseepipeline hat Deutschland schon erreicht. Bild: dpa

BERLIN taz | Für Erdgaslieferländer ist der Atomausstieg in Deutschland und möglicherweise bald auch anderen Ländern eine gute Nachricht: „Die Nachfrage nach Gas könnte durch geringere Investitionen in den Atombereich nach dem Fukushima-Unfall weiter gestärkt werden“, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Öl- und Gasmarktbericht der Internationalen Energieagentur (IEA).

Schon im vergangenen Jahr stieg der weltweite Verbrauch um 7,4 Prozent auf 3,28 Milliarden Kubikmeter – das war die höchste Wachstumsrate der vergangenen 40 Jahre.

Nach Schätzung der IEA könnte die globale Erdgasnutzung bis 2035 um mehr als 50 Prozent steigen. Dann würde sie knapp ein Viertel des weltweiten Energieverbrauchs ausmachen. Grund für die Zuwachsraten sind neue große Funde sowie die verbesserte Erschließung unkonventioneller Gasquellen. So haben die USA bereits in den letzten Jahren größere Reserven erschlossen, indem es ihnen gelungen ist, die Förderung von Gas, das in Schiefergestein eingeschlossen ist, zu revolutionieren. Auch in Polen werden große Lagerstätten vermutet.

Größtes Problem Schiefergas

Als größtes Problem hierbei sehen die IEA-Forscher allerdings den unzureichenden Schutz der Umwelt bei der Förderung vor allem von Schiefergas an – hier müssen Gesteinsschichten mittels eines Gemischs aus Wasser und Chemikalien aufgesprengt werden. Dafür gebe es aber eine Lösung: „Wenn die Energieindustrie ein goldenes Zeitalter für Erdgas will, muss sie auch goldene Sicherheitsstandards schaffen“, schreiben sie. Andernfalls werde es keine gesellschaftliche Akzeptanz für diese Bohrungen geben.

Insgesamt widerlegt der Bericht das in der deutschen Debatte um die Energiewende häufig verwendete Argument, dass die Energieversorgung künftig problematischer und teurer werden muss. Und er zeigt zugleich, dass es auch keine Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas geben muss. „Vor allem bei der Versorgung mit Flüssiggas können eine ganze Reihe anderer Länder herangezogen werden“, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Dazu gehören vor allem Australien und Katar. Bislang bezieht Deutschland 90 Prozent seiner Gasimporte aus Russland.

Problem Ölpreisbindung

Die Energieversorgung sei also kein Problem. Schwieriger sei es schon mit den Preisen. Das liege aber an der Kopplung der Gas- an die Ölpreise. „Gas ist auf dem internationalen Markt deutlich billiger, da es anderen Gesetzen folgt als Öl“, sagt sie. „Es gibt keinen Grund, die Bindung aufrechtzuerhalten, sie ist nicht mehr zeitgemäß.“

Zugleich plädiert Kemfert dafür, in Deutschland alte Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke zu ersetzen, die deutlich niedrigere CO2-Emissionen haben. „Außerdem sind sie aufgrund ihrer größeren Flexibilität besser kombinierbar mit Erneuerbaren Energien.“

Die Ölpreisbindung ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern eine branchenweite Abmachung zwischen ausländischen Lieferanten und deutschen Importeuren. Sie wurde in den 1960er Jahren eigentlich eingeführt, um die Gaspreise niedriger zu halten – damals waren teure Investitionen in die Gewinnung und den Transport von Gas notwendig. Seitdem gibt es langjährige Lieferverträge, die den Vertragspartnern Sicherheit geben, es aber erschweren, dass sich ein echter Marktpreis herausbildet.

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