Farbanschlag auf jüdischen Friedhof: Braun schmiert weiß

Unbekannte werfen Farbbeutel auf den jüdischen Friedhof in Oldenburg und verletzen einen Polizisten. Die Polizei glaubt an einen rechtsextremen Hintergrund.

Beschmutzt: der jüdische Friedhof in Oldenburg. Bild: Maik Nolte

OLDENBURG taz | Als Neonazi-Hochburg gilt das niedersächsische Oldenburg nicht unbedingt. Zwar versucht die NPD alle paar Jahre, dort einen Aufmarsch zu organisieren; und seit einigen Wochen sitzt erstmals ein NPD-Mann im Rat der Stadt - dennoch: Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund ist überschaubar.

38 zählte die Polizeiinspektion für die Stadt Oldenburg und den Landkreis Ammerland in diesem Jahr, die meisten zählen zu den so genannten unterschwelligen Delikten - Beleidigungen, Volksverhetzung, Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Auch die wenigen antisemitisch motivierten Straftaten bewegten sich auf dieser Ebene. Und nun das: Unbekannte schändeten in der Nacht zum Samstag den alten jüdischen Friedhof der Stadt, warfen Beutel mit weißer Farbe und trafen sechs Grabsteine. Die Täter sind flüchtig, die Polizei geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus und hat die Ermittlungen an den Staatsschutz übergeben.

Womöglich hätten die fünf Täter noch mehr Schaden angerichtet, hätte Thole Schlömer sie nicht daran gehindert. Der 39-jährige Polizist, der nicht im Dienst war, kam auf dem Nachhauseweg zufällig am Friedhof vorbei, der dem Objektschutz unterliegt und auf den er und seine Kollegen auch "im Dienst immer ein Auge" haben.

Mit den Worten "Aufhören, Polizei!" schlug Schlömer die mit Sturmhauben maskierten und zum Teil mit Bomberjacken bekleideten Täter in die Flucht, verfolgte sie mit dem Rad und bekam nach mehreren Reizgasattacken einen der Flüchtenden zu fassen.

Der sprühte ihm Pfefferspray ins Gesicht, zweimal. "Dann wars vorbei", sagt Schlömer. Er rief seine Kollegen an, die Täter, gegen die nun nicht nur wegen Sachbeschädigung und Störung der Totenruhe, sondern auch wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt wird, blieben verschwunden.

Dass die mutmaßlichen Neonazis einen Polizisten attackierten, wirkt nicht einmal mehr ungewöhnlich. "Die Hemmschwelle ist generell gesunken, wir erleben das jedes Wochenende", sagt Polizeisprecher Rolf Cramer.

Es war bereits die zweite Schändung des historischen Friedhofs, dessen Gräber bis 1814 zurückreichen. 1992 - die jüdische Gemeinde der Stadt hatte sich gerade neu gegründet - hatten unbekannte Täter einige Grabsteine mit Hakenkreuzen beschmiert.

Frei zugänglich ist der Friedhof längst nicht mehr: Wie jede jüdische Einrichtung gilt er als potenzielles Ziel rechter Gewalt; eine mannshohe Mauer umgibt ihn, das Eisentor ist zugesperrt. Dass es nun nach einer relativ langen Zeit wieder zu einer solchen Straftat kam, erfüllt die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Oldenburg, Sara-Ruth Schumann, mit "großer Sorge". Für sein Eingreifen bedankte sich die Gemeinde bei dem Polizisten.

Ob es einen Zusammenhang zwischen der Tat und der aktuellen Medienpräsenz des braunen Sumpfs gibt, ist unbekannt. Oldenburger Antifagruppen halten es für denkbar, dass sich die Täter durch die Berichte um Neonazi-Terror und die Diskussion um ein etwaiges NPD-Verbot, mehr noch vielleicht durch den Erfolg der Partei bei der Kommunalwahl zu einem offensiveren Vorgehen ermuntert fühlen. Für Mittwochabend riefen mehrere Gruppen zu einem antifaschistischen Spaziergang auf.

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