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Kolumne Über Ball und die WeltKopfgeld statt Ablöse

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Er komponiert und singt Protestlieder gegen das syrische Regime. Außerdem ist Abdelbasset Sarout ein Profifußballer, auf dessen Kopf ein Preis ausgesetzt ist.

A bdelbasset Sarout ist Profifußballer und umgerechnet 50.000 Euro wert. So hoch ist das Kopfgeld, das auf den Torwart der syrischen Olympiamannschaft ausgesetzt wurde, glaubt man Gerüchten, die im bürgerkriegsgeplagten Land kursieren. Derzeit ist Sarout vor allem Aktivist der Opposition in der Stadt Homs. Und er personifiziert die Politik des Fußballs wie kaum ein anderer im Land.

Dass der 20-jährige Sarout derzeit nicht Fußball spielt, liegt also nicht daran, dass Syrien die Qualifikation für das olympische Turnier in London verpasst hat. Nicht mal beim für den syrischen Fußball sensationellen 2:1-Sieg über Japan im Februar war Sarout beteiligt.

Als das Spiel wegen des Bürgerkriegs im Nachbarland Jordanien ausgetragen wurde, waren zwei syrische Fangruppen da: Anhänger des Diktators Assad auf der einen Seite – und auf der anderen Seite Anhänger der Opposition, die demonstrativ Japan unterstützten, damit Assad sich nicht mit einer Olympiateilnahme der Fußballer schmücken kann.

Auch Sarout will nicht, dass syrische Athleten nach London fahren. „Ich weiß, dass die Mehrheit der Sportler nicht teilnehmen will.“ Im November 2011 sagte das Regime die Teilnahme an den Panarabischen Spielen in Qatar ab – aus Angst vor Protesten der eigenen Sportler.

Spurlos verschwundene Fußballer

Ein anderer syrischer Torwart, sogar die Nummer eins der syrischen Nationalelf, Mosab Balhous, wurde vergangenen August verhaftet. Er soll, behauptete das Regime, an gewaltsamen Demonstrationen beteiligt gewesen sein. Von ihm hat man seither nichts mehr gehört. Es gibt noch einen dritten Fußballer, Ahmed al-Shaban, der verschwunden sein soll – die Gerüchte überschlagen sich.

Bild: privat
Martin Krauss

ist freier Autor der taz, mehr Infos auf martinkrauss.de.

Balhous’ Verhaftung empörte Sarout so sehr, dass er seine Fußballerkarriere faktisch aufgab; der Verband hat ihn lebenslang gesperrt. Einer kanadischen Journalistin sagte er: „Die Rechte des Volkes verteidigen, das ist wirklicher Ruhm.“ Sarouts Bruder und Onkel wurden getötet, und auch auf ihn soll es schon mehrere Anschläge gegeben haben.

„Meine Botschaft als Fußballer, Sportler und Aktivist ist, dass wir hier gerade ein Massaker erleben und dass die Welt dazu schweigt.“ Sarout schweigt nicht. Bei Großdemonstrationen der Opposition singt er gerne; viele Lieder der Protestbewegung hat er komponiert. Das hat ihm den Spitznamen „Kanarienvogel“ eingebracht. Sein Mut, mit dem er sich auf der Bühne zeigt, hat ihn populär gemacht. Das syrische Regime bezichtigt ihn, ein Salafist zu sein, ein Vertreter des Islamismus.

Vorbereitung auf das Märtyrerdasein

„Das sind wir nicht“, sagt Salut. Ganz so klar ist das nicht. Er hat etwa öffentlich die Mütter Syriens aufgerufen, ihre Söhne auf ein Märtyrerdasein vorzubereiten. Gleichzeitig gehört Sarout zu den wenigen Sprechern der islamischen Opposition, die auch auf Christen zugehen. Und vor einer riesigen Menge in Homs rief er: „Ich erkläre, bei gesundem Geist und aus eigenem Willen, dass wir, das freie syrische Volk, nicht zurückweichen, bis unsere einzige Forderung ist erfüllt: der Sturz des Regimes.“

Die politischen Ziele Sarouts mögen nicht klar sein, vielleicht sogar ihm selber. Auch darin dürfte er dem Zustand der gegenwärtigen syrischen Oppositionsbewegung ähnlich sein. Aber er verarbeitet das, was ihn der Fußball übers Leben gelehrt hat, für die derzeitige syrische Revolution. „Ich bin durch die ganze Welt gereist, um Fußball zu spielen“, sagte Sarout in einem Interview mit dem TV-Sender al-Dschasira. „Aber bei Freiheit geht es nicht nur um mich und nicht nur ums Reisen. Was ist mit den anderen? Freiheit ist ein großes Wort, es geht um Redefreiheit und Meinungsfreiheit. Wenn etwas falsch läuft, dann muss es möglich sein, darüber zu sprechen.“

Das ist die große Leistung von Abdelbasset Sarout: dass er den verzweifelten Versuch des Assad-Regimes, mithilfe einer erfolgreichen Nationalmannschaft und eines funktionierenden Ligabetriebs zu zeigen, wie normal es in Syrien zugehe, aufbricht. Fußball mag ein Regime stabilisieren können. Fußballer und Fans mögen das nicht – zumindest nicht immer.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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