Verwaltungsexperte über Uni-Autonomie: „Wettbewerb hat sich bewährt“

Der Verwaltungswissenschaftler Jörg Bogumil warnt davor, Hochschulen wieder stärker unter staatliche Aufsicht zu stellen. NRW plant Einschränkungen.

War's das schon wieder? Bild: dpa

taz: Herr Bogumil, die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) hat angekündigt, die Hochschulautonomie wieder einschränken zu wollen. Die Regierung will stärker mitreden. Seither geht unter den Rektoren die Angst um, nicht nur in NRW. Zu Recht?

Jörg Bogumil: Ich denke schon. Wir hier in Nordrhein-Westfalen haben gemeinsam mit Baden-Württemberg das am weitesten gehende Hochschulfreiheitsgesetz. Es wäre fatal, das wieder zurückdrehen zu wollen. Vor allem gibt es keine Notwendigkeit. Als wenn die Ministerien keinen Einfluss mehr auf die Hochschulen hätten. Natürlich haben sie den.

Und zwar?

Zuallererst über das Geld. Aus dem Wissenschaftsministerium bekommen die Hochschulen noch immer fast 80 Prozent ihrer Mittel. Zweitens kann das Ministerium mit jeder Hochschule eine ausführliche Zielvereinbarung abschließen. Einflussmöglichkeiten gibt es genug.

Svenja Schulze sieht das anders.

Unsere Studie zeigt relativ klar: Die Hochschulautonomie ist zwar gestiegen, aber der staatliche Einfluss ist nicht kleiner geworden. Das ist ein Mythos. Er äußert sich lediglich anders.

Jahrgang 1959, hat an der Ruhr-Universität Bochum den Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik inne. Er forschte zu den Hochschulreformen.

Inwiefern?

Ein Beispiel: Der Rektor kann jetzt alleine Professoren anstellen, er braucht nicht mehr für jede Besetzung die Genehmigung durch das Ministerium. Aber: Durch Zielvereinbarungen mit der Hochschule kann das Ministerium dafür sorgen, dass bestimmte Fachprofile oder Studiengänge erhalten bleiben.

Das ist aber nur noch eine sehr grobe Art der Steuerung …

Natürlich, der Einfluss auf die Details ist zurückgegangen. Aber die zu regeln kann nicht Aufgabe eines Ministeriums sein. Früher haben Berufungsverfahren mindestens sechs Monate gedauert. Wenn eine Hochschule heute einen neuen Professor anstellen will, geht das innerhalb von zwei Monaten.

Es ist doch keine unwichtige Frage, wer mit Steuermitteln lehrt und forscht.

Aber wie soll ein Minister das beurteilen können? Die Berufung von Professoren ist Sache der Wissenschaft, es gibt Berufungskommissionen, es gibt externe Gutachten. Da hatten die Ministerien schon früher kaum mitgespielt. Sie haben zum Schluss noch einmal geguckt, ob die Unterlagen vollständig sind, und dann einen Stempel darauf gemacht. Unnötige Bürokratie. In ganz seltenen Fällen haben sie mal jemanden auf der Liste nach vorn geschoben, meistens aus rein parteipolitischen Gründen.

Sie haben in Ihrer Studie eine ganze Reihe von Hochschulreformen der vergangenen Jahre untersucht. Gibt es ein Leitbild hinter all diesen Änderungen?

Ja, man kann es auf zwei Nenner bringen, die einander bedingen: mehr Wettbewerb zwischen den Hochschulen und eine stärkere Stellung der Rektoren innerhalb der Hochschulen.

Dass in einer Befragung unter Rektoren die Begeisterung überwiegt, ist nicht so überraschend.

Stopp, wir haben nicht nur die Rektoren befragt. Wir haben auch einfache Professoren befragt, und hier haben mich die Ergebnisse selbst überrascht. Bisher hatte ich unter Kollegen immer eine ausgesprochen skeptische Haltung vermutet. Aber in unserer Studie sagen sogar die Professoren: Bestimmte Formen von Wettbewerb haben sich bewährt. Zum Beispiel, dass Ministerien und Rektoren diejenigen mit zusätzlichen Mitteln belohnen können, die viele Forschungsgelder einwerben.

Die Kritik daran lautet: Zusätzliche Mittel bekommen nicht die, die am klügsten forschen. Sondern die, die besonders fleißig Anträge schreiben.

Wenn man den Wettbewerb überdehnt, wird es sinnlos, das stimmt. Aber diese Befürchtung ist derzeit völlig unberechtigt. In Nordrhein-Westfalen werden gerade einmal zwanzig Prozent der Mittel leistungsorientiert vergeben. Wenn eine Universität die Leistungskennzahlen im nächsten Jahr nicht mehr erfüllt, kann sie maximal drei Prozent dieser Mittel verlieren. Das ist eine sehr harmlose Form von Wettbewerb.

Jeder überdehnte Wettbewerb beginnt harmlos.

Aber was ist die Alternative? Ich bin für moderate Reformen. Mehr Autonomie gegenüber den Ministerien in Detailfragen hat sich bewährt. Andere Elemente sollte man wieder zurückdrehen.

Welche?

An einigen Punkten ist das Hochschulfreiheitsgesetz über das Ziel hinausgeschossen. Der Hochschulrat kann derzeit nicht abgewählt werden. Das ist Blödsinn. Auch den Senat sollte man wieder stärken.

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