Innensenator über Flüchtlinge: „Hamburg wäre überfordert“

Von SPD-Innensenator Michael Neumann fordern Flüchtlinge in Hamburg ein Bleiberecht. Er sagt, er könne nicht gegen das Gesetz handeln.

Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ in einem Info-Zelt. Bild: dpa

taz: Herr Neumann, die Hamburger St.-Pauli-Kirche hat 80 Flüchtlinge aufgenommen, die aus italienischen Camps stammen. Hat Sie das überrascht?

Michael Neumann: Nein. Warum sollte mich das überraschen?

Die Flüchtlinge protestieren gegen ihre Abschiebung in ein EU-Land, und die Kirche unterstützt sie darin. Ein offen ausgetragener Konflikt ist in dieser Dimension selten.

Gewiss ist auch die Kirche der Auffassung, dass wir geltende Gesetze auch anwenden müssen. Der erste Schritt ist, dass die Menschen uns ihre Namen und ihre Fluchtgeschichten schildern. Dann können wir individuell sehen, ob sie Aufenthaltsmöglichkeiten in Hamburg haben oder nicht. Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.

Die Flüchtlinge sagen, die italienische Regierung habe ihre Camps geschlossen und ihnen EU-Reisepapiere ausgestellt.

Ja, das steht so in Zeitungen. Ob das wirklich so ist, weiß ich nicht. Unser Recht sieht vor, dass ein Mensch, der in Deutschland Schutz und Hilfe sucht, mit den Behörden sprechen muss.

Dann könnten schnell die sogenannten Dublin-II-Regeln der EU greifen, und die Menschen müssten nach Italien zurück.

Das Aufenthalts- und Asylrecht ist transparent, kann jedoch am Ende dazu führen, dass Gerichte feststellen, dass jemand kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat. Eine Entscheidung, die am Ende akzeptiert werden muss.

Die italienische Regierung hat sich nicht an EU-Vereinbarungen gehalten. Die Menschen fordern von Ihnen ebenfalls eine politische Lösung.

Ob das in Italien so war oder anders, vermag ich nicht zu sagen.

Angenommen, es stimmt.

Wir haben bald Bundestagswahl. Wer etwas ändern will, muss dort die Mehrheiten verändern. Den Flüchtlingen jedoch Hoffnung zu machen, Deutschland würde aus dem Schengenraum austreten oder Dublin II kündigen, das ist, wie ich die aktuelle Bundesregierung einschätze, illusorisch.

Würde sich das mit einer SPD-Regierung ändern?

Ich hielte es für falsch. Aber das ist der Weg, um politisch Veränderung herbeizuführen: durch Wahlen.

Sie sind ja nun gewählt. Sie könnten Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bitten, in diesem Fall von einer Dublin-Rückführung abzusehen.

Mit Verlaub, wir haben jede Woche 50 bis 100 Menschen, die in Hamburg Schutz vor Verfolgung suchen. Warum sollten wir Menschen, die nicht bereit sind, ihren Namen zu nennen, pauschal sagen: Ihr könnt hierbleiben. Das halte ich nicht für richtig.

Sie sagen, die Wahl am 22. September könne mehr bewegen als ein Innensenator, der an Bundesgesetze gebunden ist. Doch auch Abschiebestopps aus humanitären Gründen sind Ländersache.

Man hört ja oft das Argument, dass Italien die humanitären Standards nicht einhalte. Dazu hat im April der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gesagt: Es gibt keine strukturellen Gründe, nicht nach Italien zurückzuführen.

Eine Reihe von Gerichtsurteilen bewertet das anders.

Ja, es gibt solche und solche. Wenn am Ende die Hamburger Verwaltungsgerichte zum Ergebnis kommen, eine Rückführung nach Italien ist nicht zumutbar, dann wird auch nicht zurückgeführt.

Der Protest der Flüchtlinge ist seit Monaten sehr öffentlichkeitswirksam. Was macht das mit Ihnen?

Mediale Aufmerksamkeit ändert nicht die Gesetze. Wenn dies gelte, dann würden viele ihren Weg nach Hamburg finden. Dann würden wir irgendwann einen Punkt erreichen, wo Hamburg überfordert wäre.

Ist das der Grund: Wenn Sie jetzt Ja sagen, dann kommen noch mehr?

Nein. Ich darf und will nicht gegen unsere Gesetze verstoßen. Eine Kollegin der Grünen hat mir vorgeworfen, ich versteckte mich hinter Recht und Gesetz. Ich finde, auch in Hamburg ist das eher ein Kompliment für einen Innensenator.

Kirchen und Gewerkschaften hatten den Senat aufgefordert, Räume für die Flüchtlinge zu stellen als Nothilfe.

Wir stellen Räume, Geld, Verpflegung, Bekleidung und vor allem ärztliche Versorgung zur Verfügung – die Menschen müssen nur sagen, wie sie heißen und warum sie hier sind. Das ist die Eintrittskarte. Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt.

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