Kommentar US-Syrienpolitik: Humanitäre Hilfe ist möglich

Auch wenn Obamas „rote Linie“ überschritten wird, will keiner einen Militäreinsatz in Syrien riskieren. Also tut man nichts – zum großen Missfallen der Bevölkerung.

Während die internationale Gemeinschaft zögert, leidet die syrische Bevölkerung. Bild: dpa

Selten wird sich US-Präsident Barack Obama so sehr über sich selbst geärgert haben wie jetzt, da er ein ums andere Mal an sein Wort von der „roten Linie“ erinnert wird. Die sei überschritten, wenn in Syrien chemische Waffen eingesetzt würden, hatte er vor einem Jahr gesagt. Dass es blöd ist, Konsequenzen anzukündigen, die man dann gar nicht ziehen will, kennen alle Eltern aus der Kindererziehung.

Und so sehr die US-Regierung jetzt darauf drängt, die UN-Inspektoren mögen sofort Zugang zu den mutmaßlich von Giftgasangriffen betroffenen Ortschaften erhalten und alles aufklären, so sehr setzt man darauf, dass genau das nicht passieren wird.

Denn so viel scheint inzwischen gesichert: Außer einer Handvoll Abgeordneten und Senatoren will in den USA niemand eine militärische Intervention in Syrien, am allerwenigsten das Militär selbst. Generalstabschef Dempsey hat dem Kongress gleich in einer Reihe von Statements erklärt, dass er die Erfolgsaussichten militärischer Optionen für gering hält, das Risiko jedoch, erneut in einen lang anhaltenden Krieg hineingezogen zu werden, für sehr groß.

Und selbst die nach den ersten Berichten über Giftgaseinsätze beschlossene Bewaffnung der Rebellen hat noch nicht begonnen – die USA misstrauen der in viele Fraktionen, einschließlich al-Qaida-naher Islamisten, zerfallenen Opposition. Schon einmal, in den 80er Jahren in Afghanistan, haben die USA solche Leute bewaffnet. Es ging nicht gut aus.

Der militärische Sturz der Assad-Regierung wäre unter hohen Kosten vielleicht möglich. Er würde aber, so die um sich greifende Bewertung, Syrien keinen Frieden bringen. Wer das von außen will, müsste bereit sein, sehr lange Ordnungsmacht zu spielen. Die USA sind es nicht.

Obama in der Sackgasse

Umso ärgerlicher ist es, dass Obama mit seinem Gerede von der „roten Linie“ sich selbst in eine Sackgasse manövriert hat, aus der er jetzt nur um den Preis herauskommt, öffentlich als zahnloser Tiger vorgeführt zu werden.

Ärgerlich auch, weil er damit die Debatte über ein internationales Syrien-Engagement einseitig auf militärische Intervention fokussiert hat. Die will keiner, also tut man gar nichts. Den Preis zahlt die syrische Bevölkerung. Aber man kann etwas tun. Sofortige umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung, zur Öffnung der Grenzen, auch der europäischen, zum Schutz der Flüchtlinge und zu deren Versorgung.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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