Militäreinsatz in Syrien: Waffenexperten warnen vor Angriff

Sollten die USA einen Raketenangriff gegen die Chemiewaffenlager in Syrien durchführen, könnte das katastrophale Folgen haben.

Ein Chemiewaffenlager anzugreifen ist sehr gefährlich: nur ein Teil der Kampfstoffe wäre zerstört, so ein Experte. Bild: dpa

WASHINGTON ap | Ein von den USA geführter Angriff auf Syrien mit Raketen könnte sich gegen das Chemiewaffenarsenal des syrischen Militärs richten. Doch ein direkter Beschuss von Lagerstätten für chemische Kampfstoffe berge unkalkulierbare Risiken, warnen Experten im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP.

Die Kollateralschäden bei einer unkontrollierten Explosion eines Giftgaslagers dürften demnach verheerend sein. Mit ziemlicher Sicherheit würde dabei Nervengas freigesetzt, das Zivilisten in der Umgebung töten und eine Umweltkatastrophe auslösen würde.

Bei einem Angriff mit konventionellen Waffen auf Chemiewaffenlager würde nur ein Teil der Kampfstoffe zerstört, der Rest würde freigesetzt, erklärt Daryl Kimball, Chef der Arms Control Association, einer Organisation, die sich mit Abrüstung beschäftigt. „Man kann nicht alles vernichten“, sagt er.

Selbst unter idealen Bedingungen eines Raketenangriffs würden vermutlich 20 bis 30 Prozent der getroffenen Kampfstoffe nicht zerstört und damit zu einem tödlichen Gift, sagen die Experten. Und davon, dass die Bedingungen in Syrien ideal sein könnten, geht im Grunde niemand aus.

Die Kur dürfte schlimmer sein als die Krankheit, sagt Kimball daher. Einige der mutmaßlichen Waffenlager befinden sich in Ballungsräumen rund um Damaskus, Homs und Hama. Mehr als zwei Millionen Menschen leben dort zusammengenommen. Auch Susannah Sirkin von Physicians for Human Rights warnt entschieden vor den Folgen. „Da Sarin unsichtbar und geruchslos ist, ist das Terror“, sollte das Nervengas freigesetzt werden, sagt sie.

Keine Erfolgsgarantie

Um Giftgasbestände sicher und vollständig zu vernichten, müssten Soldaten die Lager einnehmen und die Kampfstoffe in einer speziellen Verbrennungsanlage zerstören, sagt Ralf Trapp, ein französischer Experte für Chemiewaffen. Dafür würden Temperaturen von bis zu 1.150 Grad Celsius benötigt. Eine andere Möglichkeit mit Erfolgsgarantie gebe es nicht. Auch das Wetter ist eine Unwägbarkeit, die starken Einfluss auf den Effekt eines Raketenangriffs hat.

Zwar hat die US-Führung das Problem offenbar erkannt und dürfte vor allem strategisch wichtige Kommandoeinrichtungen der Streitkräfte ins Visier nehmen, doch könnten auch versehentlich Giftgasdepots getroffen werden. Das syrische Militär versucht, seine Vorräte in Sicherheit zu bringen und verlegt die Lager an unbekannte Orte. Die US-Geheimdienste hätten in den vergangenen sechs Monaten so manche Spur verloren und tappten im Dunkeln, sagen ein ranghoher Geheimdienstler und andere US-Vertreter übereinstimmend.

Extremisten könnten sich die Kampfstoffe aneignen

Schließlich könnten chemische Waffen nach einem unkontrollierten Angriff in die falschen Hände geraten. Extremisten und Milizenverbände in Syrien dürften darauf spekulieren, die gefährlichen Stoffe in die Finger zu bekommen und für ihre Sache einzusetzen.

„Die Lage in Syrien ist beispiellos“, sagt Kimball angesichts dieser Gemengelage. Dennoch gibt es einen Präzedenzfall aus dem Golfkrieg: 1991 nahm das US-Militär einen Bunker in Al-Muthanna im Irak unter Beschuss. In dem Gewölbe lagerten 2500 Raketen mit dem Nervengas Sarin, das auch in Syrien vermutet wird. Mehr als zwei Jahrzehnte später ist das Gebiet um den Bunker dermaßen verseucht, dass sich niemand in die Nähe wagt.

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