Repression in Ägypten: Säkulare Opposition im Visier

Die Willkür der Staatsführung richtet sich nicht nur gegen die Muslimbrüder. Auch Linke, Liberale und Gewerkschafter sind betroffen.

Nicht nur Islamisten sind von der Willkür der neuen Führung betroffen: Militärpatrouille in Kairo. Bild: ap

KAIRO taz | Mohammed Kamal lacht. Nein, mit den Muslimbrüdern hätte seine Bewegung nichts zu tun. Verbindungen zu den mittlerweile verhassten Islamisten, erklärt er, gehörten zu den Gerüchten, die über die ägyptische Bewegung des 6. April verbreitet würden. „Sie fälschen Informationen über uns und lügen“, sagt Kamal, „sie wollen die öffentliche Meinung gegen uns aufbringen.“ Sie, das sei das neue ägyptische Regime, ein Machtapparat aus Militär und Polizei, Übergangsregierung, Geschäftswelt und Medien.

Die Bewegung des 6. April war während der ägyptischen Revolution 2011 maßgeblich am Sturz Husni Mubaraks beteiligt. Weltweit wurden die Aktivisten als Helden des Arabischen Frühlings gefeiert. Doch zweieinhalb Jahre und einen Militärputsch später ist die Bewegung endgültig in die Defensive geraten und veranschaulicht, wie die neue säkulare Führung gegen Oppositionelle vorgeht. Denn längst nicht mehr sind die Muslimbrüder und andere Anhänger des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi die einzigen, gegen die sich die Willkür der neuen Machthaber richtet.

„Das Regime wendet sich gegen alle Revolutionäre vom 25. Januar 2011“, sagt Kamal, Mitglied im Führungsbüro der Bewegung. Einer von ihnen ist Haitham Mohammedein. Der Menschenrechtsanwalt, eines der bekannten Gesichter der Revolution, wurde vergangene Woche in der Nähe der Stadt Suez von der Polizei kontrolliert, festgenommen und beschuldigt, einer Geheimorganisation anzugehören. Während Mohammedein mittlerweile wieder auf freiem Fuß ist, muss sich ein investigativer Journalist ab Sonntag vor einem Militärgericht verantworten.

Ahmed Abu Deraa wird vorgeworfen, Falschinformationen über das Militär verbreitet zu haben. Er hatte über Angriffe der Armee gegen islamistische Rebellen auf dem Sinai berichtet, den offiziellen Angaben jedoch widersprochen. „Die Festnahme von Ahmed Abu Deraa erinnert an die Mubarak-Ära, in der Journalisten massiv gehindert wurden, über Aktivitäten des Militärs auf der Sinai-Halbinsel zu berichten“, sagte Robert Mahoney von der Organisation Committee to Protect Journalists.

Ägyptische Medien weitgehend gleichgeschaltet

Seit dem Putsch am 3. Juli sind neben fünf getöteten Journalisten 80 willkürlich verhaftet worden, wie die Organisation Reporter ohne Grenzen bereits vor der Festnahme Abu Deraas berichtet hatte. Die ägyptischen Medien sind mittlerweile weitgehend gleichgeschaltet. Das größte Problem sei, dass Zeitungen und Fernsehsender das Narrativ des Militärs eins zu eins verbreiteten, sagte Lina Attalah, Chefredakteurin der alternativen Nachrichtenseite Mada Masr. „Nicht nur die staatlichen, auch die privaten Medien haben sich zu PR-Agenturen des Militärs gemacht.“ Die Aktivisten der 6.-April-Bewegung, sagt Kamal, würden derzeit von fast allen TV-Kanälen ausgeschlossen.

Aber auch Falschnachrichten werden gezielt verbreitet, um kritische Gruppierungen zu diskreditieren. Als der Übergangspräsident jüngst die Mitglieder der neuen Verfassunggebenden Versammlung ernannte, berichtete die staatliche Zeitung Al-Ahram, die 6.-April-Bewegung betrachte die von vielen kritisierte Zusammensetzung des Gremiums als ausgewogen. „Die Nachricht war komplett unwahr“, sagt Kamal. Die Bewegung habe sich in keiner Weise derartig geäußert.

Obwohl es in dem Verfassungskomitee eine offizielle Quote für die Jugend gibt, gingen die Aktivisten des 6. April leer aus. Statt ihrer durfte die Tamarrud-Bewegung zwei Personen entsenden. Es ist jene Bewegung, die erfolgreich gegen Mursi mobilisierte und sich jetzt bedingungslos hinter das Militär stellt.

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