Nach Volksentscheid: Mini-Stadtwerk braucht Kohle

Nach dem gescheiterten Volksentscheid dringt die SPD auf Durchsetzung des rot-schwarzen Stadtwerks – mit besserer finanzieller Ausstattung. Die CDU blockt erst mal.

Bald mit Landeskonkurrent? Impression aus dem Vattenfall-Umspannwerk in Fennpfuhl. Bild: dpa

Nach dem Volksentscheid ist vor dem Stadtwerk. Der Gesetzentwurf des Berliner Energietischs ist denkbar knapp gescheitert, jetzt diskutiert die Landespolitik über die Ausgestaltung der Stadtwerk-Variante, die Rot-Schwarz jüngst auf den Weg gebracht hat.

Am Sonntag hatten 83 Prozent der Abstimmenden für den Entwurf zu einer umfassenden Energiereform votiert. Das waren aber nur 24,1 Prozent der Wahlberechtigten – das Quorum verlangte 25 Prozent. Energietisch und Opposition nehmen nun Rot-Schwarz in die Pflicht, die 600.000 Jastimmen ernst zu nehmen und das eigene, kurz vor dem Entscheid beschlossene Energieunternehmen zum Erfolg zu führen.

In der Koalition war einer schon am Wahlabend vorgeprescht: SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz. Er forderte, das Stadtwerk im kommenden Doppelhaushalt mit jährlich 5,5 Millionen Euro statt, wie veranschlagt, 1,5 Millionen Euro auszustatten.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh stellte sich am Montag hinter die Forderung: Die 5,5 Millionen Euro seien schon vor zwei Wochen in der Fraktion beschlossen worden und würden nun mit der CDU diskutiert. Intern war von einer „Top-Priorität“ die Rede. Saleh sagte nur: „Es ist klar, dass das Stadtwerk so ausgestattet werden muss, dass es funktioniert.“ Der Energietisch sei dabei hilfreich gewesen. „Ohne dessen Engagement wäre in den entscheidenden Momenten wohl nichts passiert.“

Die CDU ließ die SPD vorerst auflaufen. Die Christdemokraten hatten sich zufrieden mit dem Ausgang des Entscheids gezeigt. Die Haushaltsgespräche liefen noch bis Ende November, „ein konkretes Verhandlungsergebnis gibt es noch nicht“, so der lapidare Kommentar eines Fraktionssprechers. CDU-Energieexperte Michael Garmer forderte erst mal einen Businessplan für das Stadtwerk. „Dann können wir über die Finanzierung sprechen.“

Wirtschaftssenatorin Yzer will bis Monatsende einen genaueren Plan für das Stadtwerk. Es soll als Tochter der Berliner Wasserbetriebe entstehen, deren Aufsichtsratsvorsitzende die CDU-Frau ist. Der Aufsichtsrat soll am 27. November über das Stadtwerk tagen. Alle „notwendigen Schritte“ sollen dann „zügig“ erfolgen, so Yzer.

Allein: Die Senatorin, selbst Stadtwerk-Kritikerin, wird sich nicht mehr lange darum kümmern. Sobald die Wasserbetriebe wieder komplett dem Land gehören, übernehme den Aufsichtsratsvorsitz Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), hieß es aus Koalitionskreisen. Berlin hat mit Veolia bereits den Rückkauf vereinbart.

Yzers Sprecherin nannte die Übergabe „reine Spekulation“. Auch Nußbaum wollte sich nicht äußern. Über die Besetzung von Gremien werde zu „gegebener Zeit“ entschieden, sagte ein Sprecher. Die Finanzierung des Stadtwerks ließ er offen. Das sei Gegenstand der Haushaltsberatungen. Sicher ist: Das Stadtwerk beschäftigt am Dienstag den Senat.

Der Opposition geht selbst die SPD-Offerte nicht weit genug. Die Grünen forderten am Montag satte 50 Millionen Euro im Haushalt für das Stadtwerk. Die hohe Zustimmung zum Entscheid sei ein „Wendepunkt“ für die Berliner Energiepolitik, sagten die Landeschefs Bettina Jarasch und Daniel Wesener.

In der SPD-Fraktion werden aber nicht mehr als die 5,5 Millionen Euro als durchsetzbar erachtet – immerhin gehören auch Nußbaum und Klaus Wowereit zu den Skeptikern. Der Regierende Bürgermeister bezeichnete den Volksentscheid trotz Scheiterns als „Rückenwind zur Umsetzung der Energiewende“. Der öffentliche Einfluss in der Daseinsvorsorge müsse gestärkt werden – „ohne wirtschaftlich unvertretbare Risiken einzugehen“.

Wie das rot-schwarze Stadtwerk genau aussehen soll, bleibt derweil unklar. Anders als der Energietisch-Entwurf soll es keinen Strom zukaufen dürfen, sondern nur selbst produzierten Ökostrom anbieten. Bisher fehlt dafür aber fast jede Infrastruktur - weshalb die Opposition von einem "Bonsai-Stadtwerk" spricht.

SPD-Umweltexperte Buchholz forderte, nun „schnellstmöglich“ Wind-, Solar- und Biomasse-Anlagen auf den landeseigenen Berliner Stadtgütern auszubauen. Auch müsse das Stadtwerk zügig an den Markt gehen, damit die Berliner "real Kunden werden können".

Auch der Berliner Bewerbung um das Stromnetz, dem zweiten Anliegen des Volksbegehrens, attestierte Buchholz „gute Chancen“. Umweltsenator Michael Müller (SPD) nannte gegenüber der taz die Bewerbung seine momentan „erste Aufgabe“.

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