Kolumne Liebeserklärung: Die Plastiktüte

Der EU-Umweltkommissar will die Tragetasche aus Kunststoff verbieten. Dabei ist sie der Inbegriff der Leichtigkeit des Seins.

Sie glänzt so schön in der Sonne und lässt das Bastler-Herz höher schlagen. Bild: dpa

Oh, Plastiktüte. Du trägst neue Socken, nasse Bikinis, schimmeliges Brot. Trägst Habe und Plunder, aber trägst nie auf. Weißt du noch, als ich dich ungeniert an der Theatergarderobe abgab? Wie du mir beim ersten Date zur Seite standest und wir Nächte durchtanzten? Du bist, was Jute nie sein konnte: unscheinbar.

In schweren Zeiten bist du da, für 10 Cent bist du dabei. Bist leicht und kannst doch so schwer tragen. Kannst 500 Jahre leben, mich überleben. Früher verschenkte dich die Verkäuferin, nun will sie dich behalten. Auch sie hat gemerkt: Mit 40 Gramm Erdöl bist du verdammt wertvoll.

Ich habe eine Wassermelone getragen – du hast dabei geholfen. Hätte Edward Snowden mehr Plastiktüten gehabt, wie viel schlauer wären wir! Die Backstreet Boys hätten sich nie getrennt, Papst Benedikt XVI. wäre nie zurückgetreten. Denn du trägst die Last des Lebens mit Leichtigkeit.

Manchmal wehst du mir davon, fast unbemerkt suchst du deinen Weg zu Mutter Natur. Dann laufe ich dir hinterher wie einem Vögelchen und fange dich ein, weil du mir so lieb bist.

Ein Kontinent aus Plastiktüten

Und nun sollst du verbannt werden? Nur weil du für den EU-Umweltkommissar Janez Potocnik ein „Symbol unserer Wegwerfgesellschaft“ bist? Wir müssen etwas tun! Sammeln wir deine Artgenossen aus den Meeren und vereinen sie. Ein ganzer Kontinent kann aus euch Tüten entstehen, sagt der EU-Kommissar.

Plastikanien. Wäre das nicht wunderbar? Wir verbannen die Hipster mit ihren Juten und basteln uns das Leben schön. Bauen sonnendurchlässige Häuser, lassen dich als Drachen steigen, knüpfen Teppiche aus dir. Leben die Leichtigkeit des Plastiks.

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Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.

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