Russland und die Ukraine: Du bleibst, Brüderchen!

Wladimir Putin tut alles, um Länder wie die Ukraine auf Distanz zur EU zu halten. Gute Argumente hat er kaum, Druckmittel aber schon.

Droht den kleinen Nachbarn in Osteuropa gern: Wladimir Putin. Bild: dpa

BERLIN taz | Er hätte ein historischer werden sollen, der EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft kommende Woche in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Doch daraus wird wohl nichts. Denn die Ukraine, die bei der Annäherung an die westliche Staatengemeinschaft bislang den weitesten Weg zurückgelegt hat, hat am Donnerstag wieder einen Rückzieher gemacht. Die Regierung in Kiew legte ein Assoziierungsabkommen mit der EU, das in Vilnius hätte unterschrieben werden sollen, kurzerhand auf Eis.

Die Östliche Partnerschaft wurde im Jahr 2009 auf Initiative Schwedens und Polens ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, den sechs östlichen Nachbarländern Ukraine, Weißrussland, Moldau, Aserbaidschan, Armenien und Georgien zwar keine konkrete Beitrittsperspektive zu eröffnen, sie jedoch politisch und wirtschaftlich enger an die EU zu binden. Damit einher gehen umfassende Reformen etwa in den Bereichen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte.

Für entsprechende Programme in den Partnerländern standen von 2010 bis 2013 knapp 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Annäherung an EU-Standards wird mit dem Abschluss von sogenannten Assoziierungsabkommen und Freihandelsverträgen besiegelt. Darüber hinaus gibt es Rücknahmeabkommen und Regelungen zu Visaerleichterungen.

Das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, das auch einen Freihandelsvertrag umfasst, wurde im März 2012 paraphiert. Es ist der EU-Kommission zufolge das weitreichendste Abkommen, das die EU jemals mit einem Nichtmitglied ausgehandelt hat. Unterzeichnet wurde bislang nicht, da die EU bestimmte Kriterien als nicht erfüllt ansah.

Das betrifft vor allem eine politisch motivierte Justiz, für die symbolhaft der Fall Julia Timoschenko steht. Die mittlerweile erkrankte Exregierungschefin, eine der HauptakteurInnen der Orangenen Revolution von 2004 und Erzrivalin von Staatspräsident Wiktor Janukowitsch, war im Oktober 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Für die EU sind die Freilassung sowie die medizinische Behandlung der Oppositionspolitikerin im Ausland eine der Voraussetzungen für die Unterzeichnung des Abkommens. Dieser Forderung ist die Ukraine bislang nicht nachgekommen. Am Donnerstag dieser Woche scheiterten im Parlament mehrere Gesetzentwürfe, die der Verurteilten Klinikaufenthalte im Ausland ermöglichen.

Abkommen mit Georgien und Moldau

Die Kehrtwende in Kiew dürften vor allem die Menschen in Georgien, wo im vergangenen Jahr bei den Parlamentswahlen im Oktober ein demokratischer Machtwechsel stattfand, und in Moldau mit großem Interesse, aber auch einem gewissen Unbehagen beobachten. Denn auf dem bevorstehenden Gipfel in Vilnius will die EU mit beiden Staaten Assoziierungsabkommen nach ukrainischem Vorbild paraphieren.

Moldau, wo Anfang des Monats Zehntausende in der Hauptstadt Chisinau für Europa auf die Straße gingen, kann sich berechtigte Hoffnungen auf Visaerleichterungen machen. Mit ein Grund dafür ist ein Antidiskriminierungsgesetz, das 2012 verabschiedet wurde. Die neuen Regelungen, die Bürgern Moldaus mit biometrischen Pässen erlauben, sich in den Staaten der Europäischen Union ohne Visa bis zu 90 Tage aufzuhalten, könnten bereits Ende des kommenden Jahres in Kraft treten.

Die Versuche einiger ehemaliger Sowjetrepubliken, Kurs auf Europa zu nehmen, werden vor allem von einem mit Argusaugen verfolgt: Russland. Der Kreml, der sich ohnehin von potenziellen Feinden umzingelt fühlt, hat den Zusammenbruch der Sowjetunion – von Präsident Wladimir Putin als eine der größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts bezeichnet – noch immer nicht verwunden. Ergo ist der Anspruch, im „nahen Ausland“ die Muskeln spielen zu lassen und ein Abdriften der einstigen Brudervölker gen Westen zu unterbinden, ungebrochen. Stattdessen hat Moskau die Zollunion im Angebot, der außer Russland noch Weißrussland und Kasachstan angehören.

Um Druck auf die Exsowjetrepubliken auszuüben, die vor allem bei der Gasversorgung von Russland abhängig sind, ist jedes Mittel recht. So unterminiert Moskau bislang erfolgreich eine Lösung der sogenannten eingefrorenen Konflikte in Moldau (Transnistrien), Georgien (Südossetien) oder der von Armeniern besiedelten Enklave Berg-Karabach in Aserbaidschan.

Anti-russische Proteste in Armenien

Auch Wirtschaftssanktionen sind eine beliebte Methode. Im vergangenen Sommer blockierte Moskau kurzzeitig die Einfuhr ukrainischer Waren, was die Wirtschaft des Nachbarn empfindlich traf. Auch über moldauischen Wein – das wichtigste Exportgut des Landes – verhängte Russland ein Embargo. In Anspielung auf die Abhängigkeit Moldaus von russischen Gaslieferungen verstieg sich Russlands Vizepremier Dmitri Rogosin zu der Aussage, er hoffe, die Moldauer müssten im kommenden Winter hoffentlich nicht frieren.

Armenien, wo russische Truppen stationiert sind, hielt dem Druck übrigens nicht stand. Im September kündigte Präsident Sersch Sargsjan den Beitritt zur Zollunion mit Russland an, was zu einer spontanen Protestkundgebung in Jerewan führte.

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Auch in den vergangenen Tagen erging sich Putin wieder in Drohgebärden an die Adresse der Ukraine. Er kündigte „Auswirkungen“ auf die Handelsbeziehungen zu Russland an, sollte Kiew das Abkommen unterzeichnen.

Offensichtlich haben die Drohungen gewirkt. Von einem Scheitern der Östlichen Partnerschaft zu sprechen, wäre allerdings verfrüht. Nur mit Russland wird auch künftig zu rechnen sein.

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