Mehr rechte Gewalt: "Erschütternde Szenen"

Mehr rechte Gewalt in Berlin: Innensenator spricht von „beunruhigendem“ Trend. Der Verfassungsschutz ruft zu mehr „Miteinander“ mit Initiativen auf. Dort herrscht Skepsis.

Broschüre des Verfassungsschutzes zu seiner Tagung. Bild: dpa

Innensenator Frank Henkel (CDU) warnt vor rechter Gewalt in Berlin. Die stieg zuletzt deutlich an: Gab es 2012 53 rechte Gewaltfälle, waren es in diesem Jahr bisher 72. Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 37 auf 57. Henkel sagte, hinter jedem Fall steckten „erschütternde, menschenverachtende Szenen“.

Der Senator war am Mittwoch Gast auf einer Verfassungsschutz-Tagung zu „Gewalt von rechts“ im Abgeordnetenhaus. Laut dem Berliner Geheimdienst-Chef Bernd Palenda zählt die Stadt aktuell 1.380 Rechtsextreme, 620 davon gelten als gewaltorientiert. War in der Szene lange das lose „Nationale Widerstand“-Netzwerk führend, schlüpften die Aktivisten zuletzt unter das Dach der NPD-Jugend. Daneben baut sich die Neu-Partei „Die Rechte“ auf, ein Sammelbecken alter Kameradschaftler.

Henkel nannte den Anstieg derrechter Gewalt „beunruhigend“. Die Taten seien keine Bagatellen, sondern zeugten von „purem Hass“. Bei den Protesten gegen ein Flüchtlingsheim in Hellersdorf habe man gesehen, dass die Szene auch in Form vermeintlicher Bürgerinitiativen ein „Klima der Angst“ erzeuge. Verfassungsschutz-Chef Palenda berichtete von einem verstärkten Einsatz des Internets, in dem sich die Neonazis anonym und sicher fühlten. Die Szene sei durchaus anpassungsfähig, bleibe aber unverändert aggressiv und menschenverachtend.

Henkel zeigte sich „zuversichtlich“, dass das angestrebte NPD-Verbot gelingt und die Szene schwäche. „Ich bin sehr überzeugt von der Materialsammlung.“ Palenda wiederum warb für ein „stärkeres Miteinander“ von Staat und Bürgergruppen im Einsatz gegen rechts. Es gebe eine Reserviertheit der Initiativen gegenüber staatlichen Stellen, die er gerne abbauen wolle.

Leicht wird das nicht, wie die Tagung zeigte. Dort sprach auch Mirjam Blumenthal von der Neuköllner Jugendorganisation Falken, auf deren Haus mutmaßlich Neonazis zwei Brandanschläge verübten. „Ziemlich allein gelassen“ fühle sich ihr Verein, sagte Blumenthal. Auch der TU-Dozent Rainer Erb sprach von einer „Bringschuld“ des Verfassungsschutz in punkto Transparenz und „Leistungsbilanz“, die zuerst kommen müsse.

Gänzlich vergrätzt waren die Grünen, die der Tagung geschlossen fernblieben. Nur Koalitionspolitiker seien auf die Podien geladen worden, grollte Grünen-Geschäftsführer Benedikt Lux. „Der Verfassungsschutz zeigt seine typische Ignoranz.“ Die Behörde sei kein Instrument des Senats, sondern müsse auch der Opposition „Chancengleichheit“ gewähren, so Lux. Dort wies man den Vorwurf zurück: Auf der Tagung sei „offen diskutiert“ worden. Dran hätten sich auch die Grünen beteiligen können.

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