Alkoholkonsum: Securitys im Szene-Viertel

Die Stadt Hannover will auch 2014 Sozialarbeiter und einen privaten Sicherheitsdienst gegen öffentliches Trinken in der Limmerstraße losschicken.

Öffentliches Trinken: In Hannover-Linden passen Securitys auf, dass niemand ausfällig wird. Bild: dpa

HANNOVER taz | Das rot-grüne Hannover hält weiter am Einsatz von privaten Sicherheitsleuten und Sozialarbeitern gegen Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit fest. Auch 2014 will man in der Limmerstraße im Szene-Stadtteil Linden Sicherheitsdienste und Streetworker losschicken, verkündete die Stadtverwaltung jetzt.

Von April bis Oktober hatte die Stadt in der Limmerstraße bereits auf diese Maßnahmen gesetzt. In der verkehrsberuhigten Straße in dem einstigen Arbeiter- und heutigen Alternativ-Szene-Stadtteil trifft man sich traditionell zum „Limmern“: Das heißt, draußen auf Bänken, Türschwellen oder Fensterbrettern zu sitzen, Bier zu trinken und zu quatschen.

Zum Ärger von Anwohnern und Gewerbetreibenden: 46 Prozent von ihnen fühlen sich mindestens einmal am Tag, vor allem am Abend gestört, ergab 2012 eine Befragung im Auftrag des Stadtbezirksrats Linden-Limmer. Alkoholkonsum, „Rumlungern“, Lärm, Müll, Verunreinigungen durch Urinieren wurden als die häufigsten Störungen genannt.

Zu einem Alkoholverbot für die Diskomeile Nikolaistrasse hatte sich die Stadt Göttingen wegen Beschwerden über randalierende und lärmende Partygänger durchgerungen. Von Mai 2012 an durfte dort an Wochenenden zwischen 0 und 8 Uhr kein Alkohol im Freiengetrunken werden.

Im Dezember kippte der Stadtrat im rot-grün regierten Göttingen das Alkoholverbot, das die Stadtverwaltung ab 2014 unbefristet verlängern wollte. Ab Januar darf in der Nikolaistrasse wieder getrunken werden.

Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das Verbot für rechtens erklärt, unter anderem, weil der Lärm der Feiernden die "Unversehrtheit der Gesundheit" der Anwohner und ihr Recht auf Nachtruhe gefährde.

Lokalpresse und Hannovers CDU diskutierten zeitweise ein Alkoholverbot. Im vergangenen Frühjahr legte die Stadt in Zusammenarbeit mit der Polizei ein Handlungskonzept gegen das „Limmern“ vor: Werktags schickte man Sozialarbeiter in der Limmerstraße los, an Wochenenden und vor Feiertagen in den Nächsten private Sicherheitsdienste. Zudem stellten einige Lokale ihre Toiletten kostenlos für Limmernde zur Verfügung.

Streetworker im Einsatz

Folgt man der Stadt, hat das gewirkt: „Verhärtete Fronten“ zwischen den unterschiedlichen Nutzern der Straße seien „aufgebrochen“ und die Anwohnerbeschwerden hätten abgenommen, resümiert die Verwaltung. Und will das Konzept deshalb fortsetzen: Die Streetworker sollen ab sofort das ganze Jahr unterwegs sein. Von April bis Ende Oktober 2014 soll erneut ein Sicherheitsdienst beauftragt werden.

Denn die Securitys seien in der Limmerstraße „sensibel“ und „situationsangemessen“ aufgetreten, so die Verwaltung. Ohne Schlagstöcke oder Handschellen, eher zivil in Turnschuhen, Jeans und dunkle Dienstjacke gekleidet, patrouillierten sie durch die Limmerstraße. So hatte es die Stadt vorgesehen.

Hoheitliche Befugnisse hatten die Sicherheitsleute nicht: Anders als etwa beim Objektschutz verfügen die Securitys im öffentlichen Raum über keinerlei Hausrecht. Statt Platzverweise zu erteilen, dürfen sie nur darum bitten, einen Ort zu verlassen oder sogenannte Jedermann-Verhaftungen durchführen und wie jeder andere auch mutmaßliche Straftäter bis zum Eintreffen der Polizei festhalten.

Positives Fazit der Polizei

„Durchweg positiv“ fällt ebenfalls das Fazit der Polizeidirektion Hannover aus. Von 164 auf 92 sei die Zahl der Straftaten in der Limmerstraße zwischen Januar und Oktober 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. Die so genannten Rohheitsdelikte gingen von 41 auf 34, Sachbeschädigungen von 92 auf 47 und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz von 31 auf 11 zurück.

Und während die Gewerkschaft der Polizei im Vorfeld noch vor „martialischem Auftreten“ der Securitys warnte, sieht die Polizei Hannover deren Einsatz positiv. Die Sicherheitsleute hätten stets Kontakt zur Polizei gehalten und seien bei Anwohnern auf Akzeptanz gestoßen, heißt es auf Nachfrage. Beschwerden über das Verhalten der Sicherheitsdienstmitarbeiter sind der Polizei nicht bekannt.

Verhaltenes Resumée im Stadtteil

Etwas verhaltener ist das Resümee dagegen im Stadtteil selbst. Rainer-Jörg Grube, Lindens parteiloser Bezirksbürgermeister auf Grünen-Ticket, lobt vor allem den Einsatz der Sozialarbeiter. „Es ist wichtig, dass die Probleme in der Limmerstraße nicht nur als Probleme von Recht und Ordnung wahrgenommen werden, sondern der Fokus auch auf der Betreuung liegt“, sagt er. „Zur Frage, ob das Konzept tatsächlich ein Erfolg ist, hätte man aber auch die Anwohner befragen müssen.“

Nachholen will Grube das mit einer öffentlichen Diskussion im Stadtteil zu Beginn der neuen Limmer-Saison im Frühjahr. Kritisch auseinandersetzen will er sich dann auch mit dem Phänomen selbst: Einst hätten Einwohner begonnen, sich vor die Haustür zu setzen und Bier zu trinken. Mittlerweile aber sei das Limmern ein „touristisches Highlight“, das bei Stadtführungen und in Reiseführern beworben werde.

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