Verbraucherschützer über Strompreis: „Die Armen sind überfordert“

Die EEG-Umlage steigt für arme und reiche Stromkunden. Verbraucherschützer Udo Sieverding plädiert für höhere Beiträge wohlhabender Haushalte und der Industrie.

Romantisch, aber teuer: Windräder vor untergehender Sonne Bild: dpa

taz: Herr Sieverding, Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner will die Energiewende teilweise mit Krediten finanzieren. Bringt das eine Entlastung für die Verbraucher?

Udo Sieverding: Ilse Aigner leistet mit diesem Vorschlag einen wichtigen Diskussionsbeitrag. Denn wie bisher geht es nicht weiter. Ein Durchschnittshaushalt bezahlt mittlerweile über 200 Euro pro Jahr für Wind- und Solarkraftwerke. Stromkunden mit geringem Einkommen sind dadurch überfordert. Die Finanzierung mittels der Ökoumlage auf die Stromkosten der Verbraucher ist an ihre Grenzen geraten.

72 Milliarden Euro neue Staatsschulden müssten aufgenommen werden. Auch die ärmeren Stromkunden müssen die langfristig zurückbezahlen. Der Unterschied liegt nur darin, wann die Rechnung präsentiert wird.

Dieser Aspekt ist tatsächlich problematisch. Den Energiewende-Fonds, den Aigner zur Tilgung der Kredite heranziehen will, sollen die Stromkunden finanzieren, also wiederum auch die ärmeren Haushalte. Das ist der falsche Weg. Besser wäre es, die Kosten mittels Steuern oder mit einem Solidarbeitrag ehemaliger EEG-Anlagen zu bezahlen.

Dafür müsste die Regierung Steuern erhöhen. Welche könnten das sein?

Beispielsweise die Einkommen- oder die Körperschaftsteuer. Dann würden – anders als heute – Bürger mit höheren Einkommen einen größeren Anteil der Kosten übernehmen. Haushalte, die wenig Geld zur Verfügung haben, würden entlastet. Gleiches gilt für die Industrie. Über die Körperschaftsteuer auf ihre Gewinne müssten auch die Unternehmen einen angemessenen Beitrag leisten. Sie profitieren schließlich auch von einer Deckelung der EEG-Umlage.

,43, arbeitet seit 1998 bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Er leitet dort den Bereich Energie.

Sie plädieren dafür, die Industrie zusätzlich zu belasten. Es geht darum, welche gesellschaftliche Gruppe welchen Anteil der Investitionen für die Energiewende trägt. Wäre es nicht sinnvoller, diesen Konflikt heute zu lösen, statt ihn in die Zukunft zu verlagern?

Wir stehen am Beginn dieser wichtigen Diskussion und ein „weiter so“ darf es nicht geben. Vielleicht kann die Politik eine Mischform aus Steuer-, EEG-Altanlagen-Soli und Fondsfinanzierung entwickeln. In jedem Fall reicht die heutige Ökoumlage nicht mehr aus. Sie war ein gutes Modell für die ersten 20 Jahre der Energiewende. Wenn wir in einigen Jahrzehnten aber 80 bis 100 Prozent unseres Stroms mit regenerativen Energien herstellen wollen, brauchen wir zusätzliche Finanzierungsinstrumente.

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