Kolumne Macht: Die Frau des Rebellenchefs

Die Lage im Südsudan ist kompliziert. Und Kriegsreporter sind nicht weniger anfällig für Kitsch als andere Leute, vielleicht sogar mehr.

Damals war er noch Vizepräsident des Südsudan: Riek Machar, heute Rebellenchef in dem umkämpften Land. Bild: dpa

Es gab eine Zeit, in der Riek Machar, abgesetzter Vizepräsident des Südsudan und heutiger Rebellenchef, der Liebling vieler Afrika-Korrespondenten westlicher Medien war. Kriegsberichterstatter sind nicht weniger anfällig für Kitsch als andere Leute, vielleicht sogar mehr. Und Riek Machar verband eine stürmische Liebesgeschichte und Ehe mit einer Britin, die ihn bei ihrer Arbeit für eine Hilfsorganistion kennen gelernt hatte. Also mit einer von uns, sozusagen.

Ihr kleines Haus im Südsudan, in dem sie auch häufig Journalisten empfing, war eine Mischung aus Wildwestromantik und Ikeastil. 1993 kam Emma, schwanger und nur 29 Jahre alt, bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Damals wurden vielen die Augen feucht, die sie nie persönlich getroffen hatten.

Das lag auch daran, dass ihr Leben ausländischen Beobachtern endlich eine Chance zur Identifizierung, zur emotionalen Anknüpfung an den Südsudan bot. Sie konnte die Verhältnisse dort gut erklären und für ihre Wahlheimat, auch für ihren Ehemann, werben. Da mochten manche dann gar nicht mehr daran glauben, dass Riek Machar für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war. Obwohl daran kein Zweifel bestehen konnte.

Vielleicht gibt es überhaupt kein anderes Land, das der Bevölkerung westlicher Länder so fremd ist wie der Südsudan. Jahrhundertlang wurde fast nichts in die Infrastruktur der Region investiert, das wenige, was es gab, wurde im Krieg gegen den Norden des damals noch vereinten Landes zerstört. Wer konnte, floh. Wer blieb, überlebte nur dank ausländischer Hilfe.

Barbusige Frauen vor Rundhütten

Der Soziologe Hartmut Rosa hat meistens überhaupt keine Zeit - er hetzt von Vortrag zu Seminar, muss Interviews geben. Sein Thema? Entschleunigung. Wie viel Tempo das Leben verträgt, fragt er sich in der taz.am wochenende vom 11./12. Januar 2014 . Außerdem: Ein österreichischer Reproduktionsmediziner behandelt seine Patientinnen mit umstrittenen Methoden – da, wo sie erlaubt sind. Und: Warum stehen die Zeiger in der Uhrenwerbung eigentlich immer auf zehn nach zehn? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Auf Fahrten durch wildes, unwegsames Gelände wurden Erinnerungen an Bilder von Afrika in alten Kinderbüchern wach: barbusige Frauen, Männer im Lendenschurz, Rundhütten, Met aus großen irdenen Töpfen. Eine unwirkliche Welt.

Es ist kein Wunder, dass über die Konflikte im Sudan stets besonders grob gerastert geschrieben worden ist. Araber gegen Afrikaner, Muslims gegen Christen. Und nun also: „Stammeskämpfe“. Diese Etiketten sind so simpel, dass sie falsch sind.

Es stimmt, dass die neuen Kämpfe entlang ethnischer Linien ausgetragen werden. Das ist kein Wunder und auch nicht irrational, schließlich war die eigene Ethnie über Jahrzehnte hinweg die einzig verlässliche Größe in einem Konflikt, in dem die Kriegsfürsten – auch Riek Machar – immer mal wieder die Seiten, die Positionen und die Bündnispartner wechselten, wenn es ihren Interessen dienlich zu sein schien.

Wahr ist aber auch: Entscheiden werden über Krieg und Frieden im Südsudan die Mächte, die Interesse am Ölreichtum des Landes haben. Also China, die USA und natürlich auch der Sudan. Unabhängig ist der Südsudan allenfalls auf dem Papier. Die geschundene Bevölkerung, die nie eine Chance hatte, wird zwischen den Fronten zerrieben. Schaut jemand hin? Emma ist tot.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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