Debatte um Markus Lanz: Wem gehört die Fernbedienung?

Es sprechen Korpsgeist und Unwille: Warum so viele Journalisten jetzt ihrem TV-Kollegen Markus Lanz zur Seite springen. Eine Medienkritik.

Man kann doch einfach umschalten. Na klar. Bild: Wuesty_1980 / photocase.com

Mehr als 220.000 Unterstützer hat die Onlinepetition gegen den TV-Moderator Markus Lanz schon gefunden. Viele Journalisten etablierter Medien springen ihrem bedrängten Kollegen deshalb zur Seite. Erstaunlich dabei ist, wie einmütig, dünnhäutig und empört sie auf die Onlinepetition reagieren: Der Starjournalist Hajo Schumacher sprach in der Berliner Morgenpost von „Rudel-Aggression“. Und der Tagesspiegel-Kolumnist Matthias Kalle fragte ironisch: „Haben die keine Fernbedienung“?

Daraus sprechen ein Korpsgeist und ein Unwille, mit begründeter Kritik umzugehen, die Journalisten bei anderen Berufsgruppen nicht durchgehen lassen würden – etwa wenn ein Arzt einen Kunstfehler begeht oder sich ein Polizist im Dienst falsch verhält. Doch wenn sich ein Journalist danebenbenimmt, empfehlen sie unisono, man könne doch einfach umschalten. Na klar. Und wenn zwei Halbstarke auf der Straße einen Passanten zusammenprügeln, kann man auch einfach wegschauen.

Natürlich ist es problematisch, wenn sich die Wut von vieler gegen einen Einzelnen richtet. Künftig soll es deshalb keine Petitionen gegen Personen mehr geben. Aber Journalisten selbst haben wenig Skrupel, sich alle zusammen auf einen Einzelnen – etwa Politiker wie Christian Wulff – zu stürzen. Und wie soll sich ihr Publikum sonst wehren?

Die Onlinepetition ist nur die zeitgemäße Form des Protestbriefs. Journalisten stellen die Machtverhältnisse auf den Kopf, wenn sie Markus Lanz jetzt zum Opfer erklären. Denn der ist in seiner Sendung ganz klar aus seiner Rolle als Moderator gefallen und hat grob gegen die Gebote der journalistischen Fairness verstoßen, als er sich in seiner Sendung mit einem Gast gegen einen anderen – Sahra Wagenknecht – verbündete.

Einsam auf dem Dach des Stern-Hauses

Dabei kann man der Linkspartei durchaus vorwerfen, dass sie mit populistischen Parolen dem Projekt Europa schade. Schwer vorstellbar aber, dass ein Horst Seehofer für seine „Armutszuwanderer“-Kampagne gegen Rumänen und Bulgaren auf die gleiche Weise angegangen worden wäre (Lanz: „Meinen Sie das ernst?“, „Wollen Sie nun Europa, ja oder nein?“, Jörges: „Sie reden Stuss“). Gerade wenn man Sahra Wagenknechts Meinung nicht teilt, würde man sich ihr doch intelligentere Gegner wünschen.

Stern-Chefreporter Hans-Ulrich Jörges, der Lanz sekundiert hatte, zeigte sich aber besonders starrköpfig: Einsam auf dem Dach des Stern-Hauses stehend wie auf einem Feldherrnhügel, flüchtete er sich in seiner Videokolumne in Verschwörungstheorien: „Linke Netzwerke“ hätten das Internet gekapert! Ein Hauch von Mubarak umwehte ihn dabei.

Dabei geht es längst nicht mehr um Markus Lanz. Denn der Erfolg der Internetpetition lässt sich kaum noch auf den Anlass reduzieren, der die Lawine ins Rollen gebracht hat. Aus ihrem großen Erfolg spricht vielmehr ein weit verbreiteter Unmut über die Muster eines politischen Journalismus, der seine Rituale nicht mehr infrage stellt.

Die Schwarmöffentlichkeit des Internets stellt die Deutungshoheit von Journalisten infrage. Nicht alle können damit umgehen. Der TV-Moderator Jörg Thadeusz etwa beschied die Initiatorin des Protests, die Leipziger Marion Müller, in der Berliner Zeitung, sie solle doch lieber einen Teller Gulaschsuppe essen, statt sich in die Rundfunkhoheit einzumischen: „Warum glaubt Frau Müller, sie hätte mit 17,98 Euro Rundfunkbeitrag das Recht erworben, die Art der Interviewführung auf allen Kanälen zu bestimmen?“, kanzelte er sie ab.

Journalisten sollten vielleicht etwas vorsichtiger damit sein, sich so herablassend über Leute zu äußern, die auch ihre Leser und Zuschauer sind. Jörg Thadeusz hätte besser daran getan, selbst eine Gulaschsuppe zu essen.

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