Türkischer Wahlkampf: Die deutschen AKP-Lobbyisten

Vor den Wahlen in der Türkei wird um die Gunst der Deutschtürken geworben. Vor allem Erdogans AKP ist dabei erfolgreich.

Diese Frau wird die AKP wohl nicht als Wählerin gewinnen. Bild: dpa

BERLIN taz | Dass 5.000 jubelnde Erdogan-Fans dem türkischen Premier am Dienstag in der Berliner Tempodrom-Arena eine eindrucksvolle Kulisse boten, dafür hatte die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) gesorgt, ein Lobby-Ableger von Erdogans Regierungspartei AKP. „Vereinsmitglieder hatten Priorität“, antwortete ein Sprecher aus der Verbandszentrale in Köln auf die Frage, wer in den Genuss der kostenlosen Karten für das Event gekommen sei. Zwischen 3.000 und 4.000 Mitglieder zähle der Verband derzeit. „Aber wir wachsen immer mehr.“

Gegründet wurde die UETD vor zehn Jahren. Doch seit vergangenem Sommer setzt sie verstärkt auf Expansion. Mehr als 100 Ortsvereine sollen in Europa entstehen, allein 80 davon in Deutschland. Kritiker wie der hessische CDU-Politiker Ismail Tipi befürchten deshalb eine „Polarisierung unter den hier lebenden Türken“. Bei der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGB) sieht man das entspannter: „Je mehr Leute sich für Politik interessieren, desto besser“, findet deren Vorsitzender Kenan Kolat. Das stehe auch nicht im Widerspruch zur Integration: „Sie werden sich dann auch stärker für die deutsche Innenpolitik interessieren“, ist er überzeugt.

Lobby-Ableger türkischer Parteien gab es in Deutschland schon immer. Doch keine war bisher so aktiv wie Erdogans AKP. Die türkische Opposition hat Mühe nachzuziehen. Die Republikanische Volkspartei (CHP) hat erst vor einem Jahr damit angefangen, hierzulande eigene Strukturen aufzubauen.

Die UETD dagegen hat in der Vergangenheit schon mehrfach Jubelfeiern für Erdogan inszeniert: 2008 in der Kölnarena, wo der türkische Premier die Assimilation als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ geißelte, der Wahlkampfstunt im Februar 2011 sowie eine Massenkundgebung im Juli 2013 in Düsseldorf.

Letztere war eine Antwort auf einen Protestmarsch gegen Erdogan, den die Alevitische Gemeinde in Solidarität mit der Gezi-Bewegung in Köln organisiert hatte; auch deutsche Politiker hatten sich daran beteiligt. Für ihren Schulterschluss mit Erdogan hatte die UETD sogar Teilnehmer aus den Nachbarländern rekrutiert und aus einigen Städten kostenlose Busfahrten nach Düsseldorf angeboten.

Wie eine Briefkastenfirma

Nach außen präsentiert sich die UETD aber so undurchsichtig wie eine Briefkastenfirma. Sucht man auf ihrer Website nach Ansprechpartnern, wird man schwer fündig. Und wer sich als Journalist zu der Wahlkampfshow des türkischen Premiers Erdogan am Dienstag im Berliner Tempodrom anmelden wollte, landete nach längerem Durchfragen schließlich bei der türkischen Botschaft in Berlin.

Eine solche Indienstnahme des Staatsapparats für parteipolitische Interessen verspricht wenig Gutes für die Zukunft der Türkei, zumal deren Premier sich selbst immer mehr als einzige Verkörperung des Volkswillens zu begreifen scheint. Über den weiteren EU-Beitrittsprozess der Türkei sind sich deutsche Politiker indes uneins.

Während sich die SPD in Gestalt der Staatsministerin für Integration, Aydan Özoguz (SPD), wünscht, „dass die Tür in die EU für die Türkei offen bleibt“ und jetzt die heiklen Kapitel Menschenrechte, Justiz und Rechtsstaatlichkeit aufgerufen und verhandelt werden, möchte die Kanzlerin die Verhandlungen zumindest „ergebnisoffen“ weiterführen.

Einzig die Linkspartei schert aus: Die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen setze „ein völlig falsches Signal“, erklärte deren Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen jetzt überraschend. Die Bundesrepublik dürfe den „Amoklauf Erdogans nicht länger unterstützen“, findet sie. Der „Instrumentalisierung der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland“ dürfe sie nicht länger tatenlos zusehen.

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