Berliner Szenen: Kennse Vitamin D?

Kurz mal Pause in Rudow gemacht, gleich was über Vitamine und Aldi-Kekse gelernt.

Jeden Tag zehn, fuffzehn Minuten Vitamin D tanken. Bild: dpa

Mittagspause beim Volkshochschulkurs, eine Stunde Zeit. In Rudow. Aber Rudow ist gar nicht so schlimm, manchmal scheint sogar die Sonne. Die Anderen gehen Eintopfessen beim Fleischer. Ich sitze auf einer Bank in der Sonne und mache das mit der Lichtnahrung. Na ja, in echt keinen Hunger. Aber Lichtnahrung. Der Wind nervt doppelt, weil er kalt ist und macht, dass meine Zeitung flattert.

Auf der anderen Straßenseite zieht ein Rentner seine Frau hinter sich her. Also, eigentlich laufen sie Hand in Hand, aber es sieht eher aus, als würde sie an einer Leine laufen. Er zieht sie über die Straße und merkt gar nicht, dass er so dicht an einem Poller vorbeigelaufen ist, dass sie fast dagegengerummst wäre. Wahrscheinlich machen die das seit 60 Jahren so.

Hinter mir gehen zwei Mädchen vorbei. Die eine sagt zur anderen: „Was, du hast doch nicht wirklich mit 37 Leuten geschlafen!“

Der Rentner hat seine Frau zu meiner Bank gezogen. „Dürfen wir uns setzen?“, fragt er mich. „Bitte.“

Er setzt sich, stellt eine Einkaufstasche zwischen seine Beine und sagt: „Kennse Vitamin D?“ – „Kenn ich“, sag ich, „kommt vom Licht, wa.“ – „Jenau! Vom Licht. Jeden Tag zehn, fuffzehn Minuten Vitamin D tanken, sag ich immer!“ Er guckt zwei Sekunden in die Sonne, murmelt „is wichtich“, und dann wieder zu mir: „Und Vitamin B?“ – „Weiß nicht?“ – „Dit sind Beziehungen! Ohne Vitamin B kricht man keine Stelle.“

Er dreht sich wieder zur Sonne, zwei Sekunden, dann kramt er in seiner Tasche und holt eine Tüte Kekse raus. „Hier, sehr lecker“, sagt er und hält mir die Tüte hin, „probiernse! Sie dürfen auch zwei.“ Ich nehme einen Keks. „Lecker“, sage ich, „mit Nüssen, hm?“ – „Jawoll!“, sagt er und liest vor: „Vi-tal-ge-bäck. Von Aldi! Sehr gesund. Und kost nur Pfennige.“

„Is kalt“, grummelt seine Frau. „Nu denn“, sagt der Mann zu mir, „alles Gute!“

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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