Kolumne Schwarz-Rot-Gold: Akuter Gedächtnisverlust

Innenminister Thomas de Maizière und DOSB-Präsident Alfons Hörmann sparen in Sotschi nicht mit Lob – aber umso mehr mit Kritik.

Sind sich einig: Alfons Hörmann (l.), Präsident des deutschen Olympischen Sportbundes, und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU). Bild: dpa

Innenminister Thomas de Maizière und Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), sind sich einig. Die Winterspiele in Sotschi sind eine Riesengaudi – jedenfalls für die anwesenden Sportler, die hohen Beamten und die Sportfunktionäre.

„Wenn man aus Deutschland mit der großen kritischen Begleitung kam, dann sieht man hier nur, dass für die Sportler alles gerichtet ist, wie sie es brauchen. Und wenn die Athleten zufrieden sind, bin ich es auch“, sagte de Maizière am Sonntag während einer Stippvisite beim deutschen Olympiateam. De Maizière hatte am Samstag einen wunderbar sonnigen Tag beim Super-G-Finale der Frauen und beim Großschanzen-Finale der Männer erlebt. Von seinem Logensitz aus muss in der Tat alles ganz festlich ausgesehen haben.

Angesprochen auf die Lage der Menschenrechte in Russland, äußerte de Maizière nur, diese werde „durch die Olympischen Spiele in Sotschi nicht zwingend besser, aber vermutlich auch nicht zwingend schlechter.“ Stimmt. AktivistInnen wie etwa Vladimir Luxuria und Jewgeni Witischko, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Spielen festgenommen wurden, sind auch vorher schon schikaniert und weggesperrt worden. Und überhaupt: Eine klarere Aussage zu diesem Thema hatte man vom deutschen Innenminister ohnehin nicht erwartet.

Auch DOSB-Chefkasper Hörmann ließ nichts auf die russischen Gastgeber kommen: „Es ist endlich mal der Fokus bei Sport-Großveranstaltungen in aller erster Linie auf die Athleten gelegt und nicht wie so oft viel für die Kulisse von Spielen getan worden.“ Auf welches Paralleluniversum Hörmann Bezug nahm, weiß nur er selbst. Er hat offenbar vergessen, wo er sich gerade aufhält: in einem Badekurort am Schwarzen Meer – in der wärmsten Region Russlands.

Vergessen hat Hörmann auch, was er vor zwei Wochen kritisch angemerkt hatte. „Aus deutscher Sicht ist es nicht nachvollziehbar, dass 40 Milliarden oder mehr für Olympische Spiele ausgegeben werden“, hatte Hörmann Anfang Februar im ZDF gesagt. Er forderte gar ein moralisches Umdenken bei der Vergabe von Olympischen Spielen: „Vom Grundsatz sind wir im DOSB fest davon überzeugt, dass die Spiele in ihrer Dimension für die Zukunft auf eine neue Grundlage hin entwickelt werden müssen.“

Nun ist endlich klar, welche „Grundlage“ Hörmann wohl gemeint hat: Umweltzerstörung, staatliche Zwangsumsiedlung und Enteignung, Beschneidung der Rechte von Minderheiten und Andersdenkenden. Der finanzielle Gigantismus, mit dem Russland die imposanten Stadien und Skipisten aus dem Boden gestampft hat, findet Hörmann mittlerweile ganz toll: „Das, was Sotschi hier bietet, wird neue Maßstäbe für Athleten und Betreuer setzen und wird für die künftigen Bewerber eine gewisse Messlatte darstellen.“

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