Kommentar EU und die Ukraine-Krise: Gipfel der Unentschiedenheit

Während die Amerikaner Fakten schaffen, ist die EU tief gespalten, wie sie auf den Konflikt reagieren soll. Ein Dialog mit Russland funtioniert so nicht.

Nicht gewählt, aber in Europa wie ein Held gefeiert: Arseni Jazenjuk. Bild: dpa

Sanfte, eher symbolische Sanktionen gegen Russland, schnelle und ziemlich großzügige Hilfe für die Ukraine: Auf den ersten Blick hat die EU in der Krise um die Krim wieder Tritt gefasst. Beim hastig einberufenen Sonder-Gipfel in Brüssel konnte Deutschland den befürchteten Handelskrieg vorerst abwenden. Polen und die Osteuropäer dagegen dürfen stolz auf den Drei-Stufen-Plan gegen die russische „Aggression“ verweisen.

Das sieht ausgewogen und vernünftig aus. Doch in Wahrheit hat die EU erneut ihr strategisches Leichtgewicht bewiesen. Noch während Kanzlerin Merkel und die anderen EU-Chefs beim Krisengipfel in Brüssel tagten, preschten die Amerikaner mit unilateralen Sanktionen gegen Russland vor. Absprache? Fehlanzeige. Deeskalation? Gescheitert.

Und die USA sind nicht allein. Fast wie im Irak-Krieg können sie auf die „neuen Europäer“ setzen. Genau wie damals ist die EU tief gespalten. Polen, Balten, aber auch Schweden und Briten bereiten sich schon auf die Stufen zwei und drei des EU-Sanktionsplans vor. Bis zu „weitreichenden Veränderungen der Beziehungen“ (Merkel) – sprich einem neuen Kalten Krieg mit Russland – sind es nur noch wenige Schritte.

Sie könnten schon in den nächsten Tagen folgen, wenn Präsident Putin sich nicht den Wünschen des Westens fügt. Doch bisher spricht wenig für ein Einlenken aus Moskau, im Gegenteil. Der Kreml und die Krim treiben die Spaltung der Ukraine voran. Schon in zehn Tagen, beim geplanten „Referendum“, könnte Russland sich die Krim einverleiben. Ein neuer EU-Gipfel würde dann wohl harte Sanktionen beschließen, „der Fall“ wäre da.

Klar, die EU hat noch ein paar Sicherungen vorgesehen, sogar die Kontaktgruppe erhält noch eine Chance. Doch gleichzeitig schafft auch Europa Fakten, genau wie Putin. Der neue ukrainische Premier Arseni Jazenjuk wurde in Brüssel wie ein Held gefeiert, dabei ist er nicht vom Volke gewählt. Die Hilfe wurde im Eilverfahren durchgewunken. Nicht einmal auf die Wahlen im Mai will man warten. Zur Vertrauensbildung trägt dies nicht bei, im Gegenteil.

Der Dialog mit Russland, den Deutschland wünscht, ist so wohl zum Scheitern verurteilt. Man kann eben nicht gleichzeitig vermitteln und eine Seite – die Ukraine – auf seine Seite ziehen. Die EU ist Partei, sie ist gespalten, und sie wird noch dazu von den USA vorgeführt. Zudem hat sie nicht die Mittel, um die Ukraine dauerhaft zu stabilisieren. Diesen Gipfel hätte man sich sparen können, entscheidend wird der nächste.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.