Nabu-Expertin über Wildtiertelefon: „Ruhig bleiben“

Berlin hat ein neues Wildtiertelefon. Anja Sorges vom Nabu über Waschbären in Reihenhaussiedlungen und erboste Wildsäue.

Bei diesem Blick geben Metropolenbewohner Fersengeld Bild: dpa

taz: Frau Sorges, seit Anfang April hat Berlin ein Wildtiertelefon, bei dem Bürger sich beraten lassen können. Wozu das? Ist die Stadt wilder geworden?

Anja Sorges: Es gibt durchaus mehr Kontakte mit Wildtieren. Berlin ist sowieso eine sehr grüne Stadt, und auch unser Freizeitverhalten verlagert sich zunehmend in grüne Bereiche. Fast jeder hat ein Gärtchen oder ist am Wochenende in einem der großen Parks unterwegs. Trotz des starken Drangs in die Städte vergisst der Mensch ja nicht die grüne Seele, die er irgendwann mal mitbekommen hat.

Und wozu braucht dieser Mensch ein Wildtiertelefon?

Es gibt viele Städter, die Fragen oder Befürchtungen haben, wenn sie mit einem Tier in Berührung kommen. Da ist das Telefon dann eine Anlaufstelle, bei der man Antworten bekommt – von der Frage, wieso da Wildschweine im Park herumlaufen, bis hin zu „Wie kriege ich einen Waschbären aus meinem Schuppen raus?“.

Aber die Idee mit dem Telefon ist neu.

Nein, bisher konnte man schon bei den Berliner Forsten anrufen, während wir als Nabu parallel Beratung zum Thema Wildvögel angeboten haben. Jetzt haben wir zusammen mit den Forsten und der Senatsverwaltung für Umwelt überlegt, wie man das Angebot am besten bündelt. Das Nabu-Telefon ist vorerst auf zwei Jahre befristet; aber wenn es gut läuft, haben wir durchaus Interesse, das länger zu machen.

Welchen Wildtieren begegnet man denn so in Berlin? Stimmt es, dass im Landwehrkanal Schildkröten leben?

Das stimmt, aber dabei handelt es sich um ehemalige Haustiere, die irgendjemand ausgesetzt hat. Gängig sind Begegnungen mit Wildschwein, Waschbär, Fuchs, Reh, Hase oder Kaninchen.

ist Forstwissenschaftlerin und hat bei der Heinz-Sielmann-Stiftung gearbeitet. Sie ist Geschäftsführerin des Berliner Nabu-Landesverbands.

Wobei der Waschbär ja auch keine heimische Spezies ist.

Richtig, er ist erst im 20. Jahrhundert als Pelzlieferant eingeführt worden, hat sich aber stark verbreitet. Wir beobachten, dass er sich auch weiterhin neue Lebensräume erschließt. Waschbären haben nicht viel Angst vor Menschen, sie können mit den Strukturen einer Reihenhaussiedlung durchaus etwas anfangen und sind sogar in der Lage, Mülltonnen nach essbarem Inhalt zu durchsuchen.

Wie oft kommt es zu gefährlichen Situationen mit Wildtieren?

Das ist ganz schwer einzuschätzen. Wir bekommen die Situation ja nur geschildert. Und ein Fall, bei dem wir selbst vielleicht „Stell dich mal nicht so an“ sagen würden, kann bei Oma Trude absolute Panik auslösen. Wir nehmen jeden Anruf ernst und versuchen herauszufinden, was Sache ist: Möchte jemand einfach von einem erstaunlichen Erlebnis berichten? Oder braucht er eine Einschätzung, ob eine Situation tatsächlich gefährlich war? Wir helfen dann bei der Einordnung.

Gibt es denn gefährliche Tiere in Berlin?

Es gibt Situationen, in denen man aufpassen muss. Eine Wildsau mit Frischlingen, die noch die typische Streifenfärbung haben, kann ruppig werden. Sie kann sogar kräftig beißen.

Und was macht man da?

Wir sagen immer: Ruhig bleiben, Rückwärtsgang einlegen und weggehen. Und auf keinen Fall den kleinen Schweinchen näher kommen.

Was ist mit Tollwut?

Deutschlandweit hat es seit mehreren Jahren keinerlei Fälle mehr gegeben. Wir sind also tollwutfrei, da muss man sich keine Sorgen machen.

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