Deutscher Gewerkschaftsbund: Ein Sommer geht vorbei

Nach 12 Jahren endet die Amtszeit von Michael Sommer als DGB-Chef. Einige verübelten ihm seine Nähe zur Kanzlerin. Er geht mit später Genugtuung.

Im Einsatz: DGB-Chef Michael Sommer (rechts) bei einer Plakataktion. Bild: dpa

BERLIN taz | Als Michael Sommer 2002 an die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gewählt wurde, steckte die Debatte um einen allgemeinen Mindestlohn noch in den Kinderschuhen. Zwölf Jahre später, pünktlich zu seinem Abschied am morgigen Montag auf dem DGB-Bundeskongress in Berlin, ist das Gesetz für eine deutschlandweite Lohnuntergrenze von 8,50 Euro auf der Zielgeraden und die Rente mit 63 quasi beschlossene Sache. Der Wind hat sich gedreht, die Gewerkschaften genießen wieder Anerkennung und gewinnen Mitglieder dazu.

Es ist eine späte Genugtuung für Sommer. Der 62-Jährige aus einfachsten Verhältnissen, der in Berlin Politik studierte und jahrelang in der alten Postgewerkschaft DPG arbeite, bevor er zum Chef des DGB aufstieg, hat den Dachverband durch die Schockstarre der Agenda-Zeit geführt.

Sommer musste erleben, wie sein SPD-Parteigenosse Gerhard Schröder 2003 den Schulterschluss mit den Gewerkschaften aufkündigte. Schröder demütigte die Arbeitnehmer und ihre Organisationen mit den Hartz-Reformen, er machte sich, nicht nur einmal, öffentlich über sie lustig. Dabei hatten erst die Gewerkschaften Rot-Grün im Jahr 1998 durch ihre tatkräftige Unterstützung mit zum Sieg verholfen. Verziehen hat Sommer Schröder das nie.

Um so mehr freut es ihn, dass der Wind sich wieder gedreht hat und auch die harten Richtungskämpfe unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes einstweilen Vergangenheit sind. Unter Sommer hat sich der DGB von der symbiotischen Beziehung mit der SPD emanzipiert.

Neue Nähe zur Christdemokratie

Ab 2008, als zuerst die schwere Finanz- und dann die Wirtschaftskrise Deutschland erreichte, lernte der Sozialdemokrat Sommer dann die christdemokratische Kanzlerin Angela Merkel schätzen. Weil sie zuhören könne, statt „Basta“ zu sagen, so Sommer. Dank des Zuhörens bekam Deutschland die Abwrackprämie, weitere Konjunkturspritzen, eine großzügigere Kurzarbeiterregelung und kam glimpflich durch die Krise. Die Gewerkschaften waren plötzlich als Krisenmanager gefragt, zumindest vorübergehend. Für Sommer war das ein Triumph.

Für Manchen ging die neue Nähe zur Christdemokratie und der Regierung allerdings zu weit. Als Sommer 2013 zum ersten Mal nach 30 Jahren wieder einen Bundesverteidigungsminister zum DGB einlud und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften und der Bundeswehr beschwor, hagelte es aus den eigenen Reihen scharfe Kritik. Auch, weil der damalige Verteidigungsministers Thomas de Maizière (CDU) im DGB-Haus unwidersprochen behaupten konnte, die Bundeswehr sei Teil der Friedensbewegung.

Er sei mit sich im Reinen, hat Sommer in diesen Tagen gesagt. Er habe zwar nicht alles richtig gemacht, aber er könne in den Spiegel schauen. Jetzt, mit 62, will er sich Ruhe gönnen.

Das Amt hat seinen Tribut gefordert. Sommer ist in den letzten Jahren auffällig schmal geworden, er hat zwei schwere Magenoperationen hinter sich. In seiner neu gewonnenen Freiheit freut er sich darauf, mehr Zeit mit seiner Frau zu verbringen und zu reisen. Seinen designierten Nachfolger, Reiner Hoffmann, hat er geräuschlos eingearbeitet.

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