Kandidat über Ukraine-Krise: „Die Wahlen müssen stattfinden“

Die Krise in der Ukraine könnte ohne Waffen gelöst werden, sagt Präsidentschaftskandidat Valerij Konowaljuk. Er plädiert für Visumfreiheit für alle Ukrainer.

Trauer um die Toten in Kiew. Bild: dpa

taz: Herr Konowaljuk, wie schätzen Sie die politische Situation und den Wahlkampf in der Ukraine ein?

Valerij Konowaljuk: Momentan nimmt die staatliche Führung in der Ukraine die Rolle eines Beobachters ein. Die Politik verfolgte jahrzehntelang nur die Interessen derer, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen. Der Präsident ist zum Kassenwart geworden. Dieser Weg führt aber zum Bankrott des Landes und zum Zusammenbruch des Finanzsystems, das auch so schon kurz vor dem Kollaps steht. Davon kann man sich überzeugen, wenn man einfache Leute nach ihrem Leben fragt, wenn man einen Blick in die Geschäfte wirft und das Auf und Ab des Währungskurses verfolgt. Heute heißt es: Der Maidan ist vorbei – die Gauner und Schufte aber wurden gegen andere ausgetauscht. Das ist die Meinung einfacher Menschen.

Was wird aus der Ukraine, wenn die Wahlen am 25. Mai nicht stattfinden?

Die Präsidentschaftswahlen müssen stattfinden, dürfen aber auch nicht zur Farce werden. Sonst kommt die Ukraine nicht mehr auf die Beine. Unser Land befindet sich in einer viel zu schwierigen Situation, als dass die 21 Präsidentschaftskandidaten die Wahlen für ihre eigenen Ambitionen nutzen könnten. Die meisten Kandidaten haben keinerlei Erfahrung mit politischer Führung. Sie kennen noch nicht einmal den Unterschied zwischen Bildungs- und Gesundheitsministerium. Das Gleiche gilt für den Beamtenapparat.

Was können Wahlen bewirken?

Ein Ende der politischen Krise kann nur durch Wahlen bewirkt werden. Wir haben gesehen, wie die Mehrheit des ehemaligen Parlaments in einem kritischen Moment plötzlich abtauchte, als politische Entscheidungen nötig waren, die das Blutvergießen vom 20. Februar hätten verhindern können.

47, promovierter Ökonom, wurde 2010 zum Berater des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch ernannt. 2012 verließ er aus Protest gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik Janukowitschs Partei der Regionen. Bei den Präsidentenwahlen tritt er als Unabhängiger als einer von 21 Kandidaten an.

Wie kann man den bewaffneten Widerstand im Südosten des Landes stoppen?

Die jetzige Regierung macht einen Fehler, wenn sie diejenigen ignoriert, die sich im Epizentrum der Krise im Südosten des Landes befinden. Die Anstrengungen der regionalen Regierungen sind ebenfalls nicht ausreichend. Es wäre lobenswert, wenn die USA und die EU ihre mündliche Bereitschaft zur Unterstützung in der Ukraine-Krise, die sich mittlerweile fast zur Weltkrise manifestiert hat, umsetzen würden.

Was müsste geschehen?

Man müsste die Visafreiheit zwischen der Ukraine, der EU und den USA einführen. Dann würde sich in der Ukraine die Frage des Separatismus gar nicht mehr stellen. Diejenigen, die die Ukraine verlassen haben, kehrten dann wieder zurück in ihre Heimat, und auch die Krim-Bewohner würden wieder zur Ukraine gehören wollen. Das wäre die einfachste Lösung des Problems, ganz ohne Waffen und Krieg.

Übersetzung: Ljuba Naminova

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