Onlinewahlkampf der Grünen: Die Klischees blühen

Innovativ, klassisch oder peinlich? Wir analysieren, wie sich die Parteien während des Europawahlkampfs im Netz schlagen. Dieses Mal: die Grünen.

Blümchen, Herzchen und Sternchen: Die Homepage der Grünen während des Europa-Wahlkampfs. Screenshot: www.gruene.de

Die Parteiseite

Die Grünen wissen, wie es im Netz läuft: Wenig Text, viele Farben, große Flächen, riesige Fotos – bloß keine Überforderung. Das Wichtigste zur Europawahl in zwei Minuten versprechen sie auf ihrer Homepage, die ganz im Zeichen der Europawahl steht. Ist eben kurzweilig hier im Internet. Auf dem Header-Foto ist ein Tablet abgebildet. Beim Klick darauf gibt es multimedia Slides. Auch hier gilt: Ein in grün-gelb getunktes Europa bei Nacht hinter Sternchen und Schnörkel-Schrift, wo die Grünen Europa ein Herz schenken.

Statt Text gibt es Bilder und Videos der drei Spitzenkandidaten, dazu wieder Bilder von Schlacht-Hühnchen, Lobbybüros in Brüssel und drehenden Windrädern. Ansonsten gelbt und grünt es etwas zu viel auf der Seite, die Klischees blühen. Vor einer Gänseblümchenwiese leuchtet ein Satellitenbild der EU hinter blassen Sternchen für ein besseres Europa.

Für die Europawahl gibt es einen eigenen Menüpunkt mit Themenseiten zum Freihandelsabkommen und Flüchtlingsschutz. Ansonsten wurden die Kernthemen schlicht europäisiert: Gentechnik und Klimakiller stoppen, Snowden zur NSA-Skandal-Aufarbeitung holen. Wenn es um Mindestlohn geht, gibt es den Verweis auf die alte Kampagne der Bundestagswahl.

Social-Media-Präsenz

Twitter ist für die Grünen vor allem ein Sammelbecken an Retweets. Lieber teilen, als selbst tippen. Wahlplakate werden zur Schau gestellt, es wird informiert, welches Parteimitglied wo wahlkampft: KGE chattet bei dpa, Jan Albrecht gibt Interviews auf der re:publica-Konferenz. Aha. Informationsteilung statt Community-Management.

Die Grünen rufen ihre Fans auf, für ein bisschen Social-Media-Reichweite zu spenden. Ein passendes Formular mit Einzugsermächtigung steht auf der Webseite bereit. Für 10 Euro kann die Partei bis zu 5.000 Menschen über Facebook erreichen.

Dabei kann die Partei ganz gut facebooken: Jeder Post hat einen knackigen Text mit These und Teil-tauglichem Bild. Das wird belohnt: Ein Huhn mit Sprechblase „Ich will kein Chlor“, wurde über 800 Mal geteilt.

Das Oberhaupt

Das ist so eine Sache bei den Grünen. Da gibt es Rebecca Harms und Sven Giegold in einer Art Doppelspitze, „Gesicht und Stimme“ im Wahlkampf. Dazu kommt noch eine dritte, mit der die Grünen werben, Ska Keller. Sie ist auf Listenplatz drei der Europaliste der deutschen Grünen. Ein Platz ist nicht genug, weshalb sie Spitzenkandidatin auch auf Platz eins der Liste der europäischen Grünen steht. Verwirrt? Macht nix, Ska Keller soll eh im Süden der EU Wahlkampf machen und für Stimmen der Jugendlichen dort sorgen.

Die Twitter-Kanäle der Spitzenkandidaten sind im Vergleich zum Partei-Account spannender. RebHarms hat sich in den Begriff des Chlorhuhns verliebt, der in gefühlt jedem dritten Post vorkommt. Immerhin twittert sie selbst. Schönster Zwitscher: „Noch ne halbe Stunde und ich könnte ghostkandidat #tvDuell“ Sven_giegold twittert mehrerfach am Tag, meist knallharte Inhalte (CO2-Konzentration erstmals einen Monat lang über 400ppm (Mauna Loa observatory). #wachtendlichauf). Zum Auflockern ein Bild mit grünem Teddy-Maskottchen und Selfie.

Passend dazu: Das Sammelbecken der Europawahl-Kandidatinnen Tweets. Rebecca Harms schickt Grüße aus Frankfurt nach Frankreich, Jan Albrecht fotografiert selbst gemalte Plakate und wirbt für sein neues Buch.

Dafür ist die Seite der Grünen im EU-Parlament, Greens2014, eine Augenweide. Hier wurde sich beim multimedialen Storytelling so richtig ausgetobt. Kein Wunder, hat ja auch eine Agentur gemacht, die sonst als Kunden ThyssenKrupp, Porsche, Evonik und die DekaBank listet.

Zurück zur Seite. Da schiebt sich beim Scrollen ein Rolladen vor ein spanisches Geschäft, über die Deep Water Horizon legt sich ein verölter Pelikan und über Pferdefleisch-Lasagne ziehen sich Gen-Food-Dosen. Blöd nur, dass übers großflächige Arktis Foto, schreiende Flüchtlinge und Riesen-Bohne ständig ein unübersichtliches Menü auf poppt. Wenn man sich dem Menü dann annimmt, kommen zu den wichtigsten Themen die Grüne Position. Als Schmankerl gibt’s die Übersicht: Was die Grünen in dem Punkt erreicht haben und was nicht. Das ist Service.

Die Kleinigkeiten

Für den ultimativen Grünen-Fan gibt es auf Facebook einen Plakat-Generator. Eigenes Foto hochladen, politischer Text dazu. Wer nicht weiß, was schöne Forderungen sind, lässt sich von Beispielen inspirieren: „Ich will, dass Brüssel mir zuhört“ oder „Ich will grünen Strom.“

Der Peinlichkeitsfaktor

Weil bei den Grünen Bilder mehr als Worte sagen, heißt es: Dein Bild stoppt TTIP. Die Grünen veranstalten einen Wettbewerb: Wer schickt das schönste Anti-Freihandelsabkommen-Bild? Preisgeld: 1.500 Euro. Die Chancen sind gut: Bisher sind weniger als 30 Bilder eingeschickt worden. Sven Giegold macht übrigens auch mit. Ein grob ausgeschnittener Martin Schulz und ein daneben geklatschter Geldsack zeigen, dass Giegold mit dem Photoshop-Zauberstab noch experimentiert.

Gesamteindruck

Ein Multimedia-Element peppt die Seite zur EU-Wahl auf, mehr Budget für eine Überarbeitung war dann wohl nicht drin. Dafür punktet die Fraktionsseite der Grünen im EU-Parlament mit Spielerei und Inhalt. Großartig viel Politik scheinen die Grünen den Wählern nicht zuzutrauen. Bunte Bilder ersetzen lästigen Text. Die Bildsprache: Freilaufende Kühe, Huhn, Huhn, Huhn (auch: Das TTIP-Chlorhühnchen), drehende Windräder, Blümchen, genfreie Spaghetti, knuffige Eisbären auf Eisschollen. Grün, grün, grün ist alles was ich habe. Dazu passend: Der Kommunalwahlspot der baden-württembergischen Grünen in Weingarten. Auf Bobbycars, mit grüner Sonnenbrille und Blumenpötten ziehen sie durch die Stadt und sagen im Chor: Wir sehen alles durch die grüne Brille.

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