Sitzung des Untersuchungsausschusses: Böse NSA? Böser BND!

Die Abhörpraxis des deutschen Auslandsgeheimdiensts sei nicht besser als die der USA, bemängeln Sachverständige. Es fehle eine rechtliche Grundlage.

Die Sachverständigen (r-l): Hans-Jürgen Papier, Wolfgang Hoffmann-Riem und Matthias Bäcker. Bild: dpa

BERLIN taz | Gleich am ersten Tag der Beweisaufnahme im NSA-Untersuchungsausschuss ist auch der deutsche Auslandsgeheimdienst heftig in die Kritik geraten. Mehrere Gutachter bemängelten am Donnerstag im Bundestag die Abhörpraxis des Bundesnachrichtendienstes im Ausland. Die Fernmeldeaufklärung des BND sei in ihrer jetzigen Form unzulässig, urteilte der Mannheimer Verwaltungsrechtler Matthias Bäcker. Ihr fehle eine klare rechtliche Grundlage.

Nach Ansicht des Gutachters werden dem deutschen Auslandsgeheimdienst bei der Datengewinnung im Ausland bisher kaum Grenzen gesetzt. Es gehe nicht an, dass der BND „eigentlich alles darf“, was ausländischen Nachrichtendiensten seit den Enthüllungen durch Edward Snowden im Zuge der NSA-Affäre vorgeworfen werde, warnte Bäcker.

Ob denn beispielsweise Afghanen vor den Spähangriffen des BND besser geschützt seien als die Deutschen vor jenen der NSA, wollte der Grünen-Obmann im Ausschuss, Konstantin von Notz, wissen. Unmissverständliche Antwort des Juristen: „Wenn sich der BND an die Verfassung hält: ja. Wenn er der Rechtsauffassung der Bundesregierung folgt: nein.“ Bäcker appellierte deshalb an den Gesetzgeber, die Auslandsaufklärung des BND nicht im „rechtsfreien Raum“ zu belassen.

Der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier stellte klar, der BND dürfe natürlich „Zeitungsausschnitte“ im Ausland sammeln oder Informanten befragen – denn so etwas habe keine Grundrechtsrelevanz. Wenn er aber systematisch Telekommunikation ausspähe, müsse er dabei das Fernmeldegeheimnis aus Artikel 10 des Grundgesetzes achten. Denn es gelte auch außerhalb der Bundesrepublik: „Das sind Menschenrechte, die stehen jedermann zu.“ Das gelte auch für Fälle, bei denen die Kommunikation im Ausland beginne und ende – also beispielsweise für die Nachricht eines Afghanen an einen anderen Afghanen über einen afghanischen Telefonanbieter.

Aus der Postkutschenzeit

Der Exverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem beklagte, dass die Grundrechte „noch aus der Postkutschenzeit“, stammten. Im Internetzeitalter müsse der Schutz der Kommunikationsfreiheit „global neu gedacht“ werden. Er nahm den deutschen Staat in die Pflicht, die Bürger besser vor Überwachung und Ausspähung zu schützen. Zwar seien US-Geheimdienste nicht an die deutschen Grundrechte gebunden. Trotzdem seien Grundrechte für die NSA nicht „irrelevant“ – der Staat habe hier eine „Schutzpflicht“, solche Eingriffe abzuwehren.

Schließlich sei eine anlasslose, massenhafte Erfassung der Telekommunikationsdaten nach deutschem Recht unzulässig. Natürlich seien globale Schutzstandards vermutlich unrealistisch – dann müsse die Politik aber wenigstens auf europäischer oder deutscher Ebene etwas für die Garantie von vertraulicher Kommunikation unternehmen.

Die Juristen mahnten auch klarere Grenzen für einen Datenaustausch unter den Geheimdiensten an. Wenn die Informationen von ausländischen Diensten auf eine Art gewonnen würden, die nicht deutschen Rechtsstandards genüge, dann dürften die deutschen Sicherheitsbehörden sie nicht trotzdem annehmen und weiterverwenden, mahnte Ex-Verfassungsrichter Papier. Die Standards dürften nicht untergraben werden, indem deutsche Nachrichtendienste sich von ausländischen Geheimdiensten mit Daten aushelfen ließen, deren Erfassung ihnen selbst verboten sei.

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