Achtelfinale Griechenland – Costa Rica: Ein Rest Understatement im Turnier

Für den griechischen Trainer Fernando Santos wäre ein Sieg gegen Costa Rica ein Triumph. Die destruktive Spielweise seines Teams gilt als verpönt.

Trotziger Botschafter spielerischer Defensive: Griechenlands Coach Santos. Bild: reuters

Pirlo, Gerrard, del Bosque und Prandelli. Die Vertreter des sportlichen Understatements haben die WM nach der Vorrunde verlassen. Eher still als laut sind sie gegangen, passend zum staatsmännischen Gestus, den die ergrauten Herren – jeder auf seiner Art – repräsentierten. Geblieben ist allerdings, zur Überraschung vieler, ein kauziger Portugiese, der sich anschickt einen kleinen Teil des atmosphärischen Erbes der Genannten in Brasilien auszufüllen.

Sein Name klingt ein wenig nach den Eroberern, die Südamerikas größten Flächenstaat einst besetzten: Fernando Manuel Costa Santos. Er trainiert ein Team, dessen Verbleib nach dem ersten Gruppenspiel gegen die gerade ins Viertelfinale eingezogenen Kolumbianer als unmöglich galt. Mit 3:0 watschten James Rodríguez und Kollegen statische Griechen ab.

Übungsleiter Santos konterte die Kritik am limitiert wirkenden Spielsystem mit dem bei ihm latenten Charakterzug der Verweigerung. Der Kettenraucher verfiel in die im eigene mürrische Gelassenheit und behielt Recht. Sein physisch starkes Team einigte sich mit den filigran gebauten Japanern auf eine maue Punkteteilung und rang die Elfenbeinküste mit 2:1 nieder – dank des einzigen Spielers von internationalem Format: Georgios Samaras holte in der Nachspielzeit einen Strafstoß raus und verwandelte dann selbst.

Santos jubelte trotzig und sagte später: „Fußball besteht aus zwei Aspekten. Verteidigen und angreifen. Wir wissen, wie wir gut verteidigen. Heute haben wir auch gut angegriffen.“ Sein Konzept hatte erstmals funktioniert und die Mannschaft ihre Möglichkeiten angedeutet.

Mauern und kontern

Seitdem Santos 2010 Otto Rehagel beerbte, haben die Griechen nur sechs von 48 Partien verloren. Bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine vor zwei Jahren schied man erst im Viertelfinale aus. Die Devise seines Vorgängers hat der 59-Jährige nur geringfügig verändert: Mauern und kontern gelten nach wie vor als konzeptionelles Mittel der Wahl gegen nahezu jeden annähernd spielstarken Gegner. Santos, der die eigene Karriere als Spieler verletzungsbedingt bereits mit Anfang 20 beenden musste und sich danach fern des Ballsports als Elektroingenieur versuchte, kennt den griechischen Fußball gut.

Nach anfänglichen Stationen in der Heimat trainierte er zwischen 2001 und 2010 AEK Athen, Panathinaikos Athen und Paok Thessaloniki. Kaum ein Übungsleiter genießt – neben Europameister Rehagel – eine ähnliche Reputation im Krisenstaat. Viermal war er dort Trainer des Jahres. Wohl auch, weil Santos den Fußball immer als Möglichkeit verstanden hat, den Menschen in seiner Wahlheimat Mut zu machen.

Erfolge streicheln das arg lädierte, nationale Selbstbewusstsein. Nun wartet im Achtelfinale mit Costa Rica wieder ein Team mit bisher überzeugendem Umschaltspiel. Für Griechenlands Abwehrchef Sokratis wird die Partie gegen den mit Joel Campbell, Kapitän Bryan Ruíz und Cristian Bolaños akkurat besetzten Offensivblock der Mittelamerikaner ein existenzielles Abenteuer, falls der Dortmunder es organisatorisch nicht schaffen sollte, deren Passabfolge mit allerlei weiß-blauen Unterschenkeln zu stören.

Gelingt dies doch, wird es ein ebenso enges wie offenes Spiel. Ein Spiel, an dessen Ende vielleicht wieder der trotzige Jubel eines Mannes steht, dessen von Zigarettenqualm und Sonne braun gegerbtes Gesicht für ein wenig matt glänzendes Fußballunderstatement im Viertelfinale stünde.

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