Studie der Uni Newcastle: Ist Bio doch gesünder?

Ökolebensmittel enthalten höhere Mengen von sechs Antioxidantien, die möglicherweise Krankheiten verhindern. Doch weitere Studien fehlen.

Definitiv gesund: Gemüse. Aber muss es unbedingt Bio sein? Bild: marshi / photocase.de

BERLIN taz | Für Deutschlands größten Öko-Anbauverband Bioland ist die Sache klar: „Studie bestätigt: Biolebensmittel sind gesünder“, erklärte die Organisation am Montag. Das sei „das eindeutige Ergebnis einer brandneuen Studie der Universität Newcastle.“ Doch ein Blick in die Untersuchung zeigt: Eine so allgemeine Schlussfolgerung lässt sich aus den Daten nicht ziehen.

Das Forscherteam um den Biolandwirtschaftsprofessor Carlo Leifert hat nach Auswertung von 343 Untersuchungen vielmehr nur festgestellt, dass Bionahrungsmittel im Schnitt 19 bis 69 Prozent höhere Konzentrationen von sechs Antioxidanzien enthalten als konventionelles Essen. Antioxidanzien sind Stoffe, die laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung eine „wichtige Rolle bei der Prävention von chronischen Krankheiten“ wie Krebs zu spielen scheinen. Zudem haben herkömmliche Pflanzen der Studie zufolge vier mal häufiger Pestizidrückstände und bedeutend mehr des giftigen Schwermetalls Cadmium.

Die Frage ist aber: Beeinflussen diese Unterschiede tatsächlich die Gesundheit?

Die Pestizid- und Cadmiumwerte der konventionellen Lebensmittel lagen im Schnitt weit unter den Grenzwerten, die teilweise aber umstritten sind. Die Autoren stellen selbst fest: Es sei unmöglich, den potenziellen Gesundheitsnutzen eines niedrigeren Pestizid- und Cadmiumgehalts in Bionahrungsmitteln zu schätzen.

Immerhin entspricht die ermittelte Differenz der Menge Antioxidanzien der, die ein bis zwei Portionen Obst und Gemüse enthalten, heißt es in der Analyse. Das wäre „signifikant/bedeutsam in Bezug auf die menschliche Ernährung“, falls sich die Hinweise auf die gesundheitsfördernde Wirkung dieser Stoffe bestätigten. Weiter gehen die Autoren nicht. Sie räumen sogar ein, dass noch Ernährungsstudien zu den potenziellen Gesundheitseffekten biologischer Lebensmittel fehlten.

Professor Bernhard Watzl vom bundeseigenen Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel geht deshalb davon aus, dass die höheren Antioxidanzien-Konzentrationen nicht gesundheitlich relevant seien. „Sie betreffen ja nur bestimmte Stoffe dieser Gruppe und lediglich bestimmte Pflanzen“, sagte der Ernährungswissenschaftler der taz.

„Kleinigkeiten in einem riesigen System“

Insgesamt seien rund einhundert Antioxidanzien bekannt – also viel mehr als die sechs, bei denen höhere Konzentrationen gemessen wurden. „Das sind Kleinigkeiten in einem riesigen System.“ Andere wichtige Stoffe kämen der Studie zufolge sogar weniger vor. Watzl wies auch darauf hin, dass es sehr große Unterschiede zwischen den untersuchten Bioprodukten gebe. Insgesamt meint Watzl: „Die Daten sind nicht so, dass man sagen kann: Wow! Da tut sich was.“

Andere Wissenschaftler wie Alan Dangour von der London School of Hygiene & Tropical Medicine bezweifeln auch die Zahlenangaben der neuen Studie. Die Autoren hätten Untersuchungen gleich stark gewichtet, deren Größe und Typ voneinander abwichen. Das sei „ungeeignet und irreführend“.

Aus diesen Gründen bleibt es wohl beim bisherigen Wissensstand, den unter anderem Überblicksstudien von Dangour geschaffen haben: Es „gibt keine Belege für einen Gesundheitsvorteil biologischer Nahrungsmittel“, schrieb er 2009.

Wer sich also nur um seine eigene Gesundheit und nicht um die Umwelt oder den Tierschutz kümmert, der sollte nach Meinung von Ernährungswissenschaftler Watzl vor allem darauf achten, fünf Portionen Obst und Gemüse täglich zu essen. „Entscheidend ist, dass Sie die empfohlenen 650 Gramm Gemüse und Obst am Tag erreichen. Das bewirkt wirklich einen starken positiven Effekt, den man auch messen kann.“

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